Ihre rätselhaften Katzenaugen sind ihr Markenzeichen: Kate Moss. Foto: imago//Marechal Aurore

Sie war nie das perfekte Model, für den Laufsteg eigentlich zu klein. Dennoch prägte Kate Moss die 90er wie kaum eine andere. Jetzt wird das ewige „Enfant terrible“ der Modeszene 50 Jahre alt.

Es muss dieses Gesicht gewesen sein. Die grünbraunen Katzenaugen, die hohen Wangenknochen, die Sommersprossen, der trotzige Mund. 1988 fällt dieses Gesicht am Flughafen JFK in New York der Modelagentin Sarah Doukas auf. Es gehört einem 14-jährigen Mädchen, auf dem Rückflug von einem Familienurlaub auf den Bahamas: Kate Moss aus Croyden, einem Vorort von London. So beginnt ein wichtiges Kapitel Mode(l)geschichte.

An diesem Dienstag wird Kate Moss 50 Jahre alt, und sie ist seit über 30 Jahren praktisch durchgehend gut im Geschäft. Ihren Ruf als „Enfant terrible“ der Modebranche wird sie vermutlich nie mehr los, dabei hat sie ihre wilden Zeiten längst hinter sich.

Eigentlich zu klein für den Laufsteg

Die perfekte Schönheit war die Britin nie. Für den Laufsteg ist die Tochter eines Reisekaufmanns und einer Boutiquebesitzerin mit knappen 1,70 Metern eigentlich zu klein. Supermodels, das waren makellose Frauen, die alle anderen überragten: Claudia Schiffer. Cindy Crawford. Naomi Campbell. Die Britin stand für einen neuen Typ Model. „All das, was die Supermodels zuvor hatten, hatte sie nicht“, sagt der deutsche Designer Wolfgang Joop.

Sie selbst habe „ganz bestimmt nicht“ Modelqualitäten in sich gesehen, sagte Moss vor anderthalb Jahren in einer Radiosendung der BBC. Dennoch startet der zarte Teenager durch, kaum hatte Doukas sie für ihre Agentur angeheuert. Noch im selben Jahr ergattert Kate Moss einen Werbevertrag mit dem US-Modelabel Calvin Klein.

Moss und Klein kreieren in den 90ern den „Heroin-Chic“: bleich, tiefe Augenringe, androgynes Äußeres, ein knochiger Körperbau an der Grenze zur Magersucht. Für Calvin Klein zieht sich Moss bis auf die Unterwäsche aus. An die Shootings hat Moss schlechte Erinnerungen, sagte sie der BBC. Sie sei so jung und unerfahren gewesen – und musste plötzlich mit dem Schauspieler Mark Wahlberg halbnackt vor der Kamera posieren. „Objektiviert und verängstigt“ habe sie sich gefühlt. Ein Arzt habe ihr Valium verschreiben müssen, so schlecht sei ihr vor jedem Fotoshoot gewesen. „Sie haben mit meiner Verletzlichkeit gespielt“, sagte Moss.

Das Gesicht der 90er: Kate Moss Foto: Imago/IMAGO/xConde_Nastx

„Ich war nie magersüchtig“

In Schwarz-Weiß hängt diese zerbrechlich wirkende Kindfrau an jeder Bushaltestelle – und alle Mädchen wollen sein wie sie. Schon damals warnen Medizinerinnen und Jugendarbeiter, solche Werbung leiste Essproblemen bei jungen Frauen Vorschub. „Ich war der Sündenbock für die Probleme vieler Leute“, erinnert sich Moss heute. „Ich war nie magersüchtig. Ich hatte nie Heroin genommen. Ich war dünn, weil ich bei Shootings oder Shows nicht gefüttert wurde und schon immer schlank gewesen war.“

In einem Interview von 2009 sagte die Britin: „Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt.“ Ein unbedachter Scherz, der anschließend aus dem Kontext gerissen und wieder und wieder zitiert worden sei, resümiert Moss heute.

Moss ist der Inbegriff von „Cool Britannia“. Dabei sei sie eigentlich schüchtern, sagte Moss in dem BBC-Interview. „Aber wenn die Kamera anfängt zu klicken, finde ich meine Rolle.“ Die katzenäugige Britin inspiriert auch Künstler: Marc Quinn schafft nach ihrem Abbild eine Skulptur aus 50 Kilo Gold. Lucian Freud malt sie, als sie mit ihrer Tochter Lila Grace schwanger ist – bei einer Auktion erzielt das Gemälde 3,5 Millionen Pfund.

1994 verliebt sich das Model in Hollywoodstar Johnny Depp, nach vier Jahren geht die Beziehung in die Brüche. In einem Interview bekennt sie später: „Ich habe jahrelang geweint.“ 2022 sagt sie im Prozess ihres Ex-Freundes gegen Amber Heard zu seinen Gunsten aus. Ihre Beziehung zum drogenabhängigen Musiker und The-Libertines-Gründer Pete Doherty Anfang der 2000er ist Gift für Moss’ Image. Als 2005 Fotos auftauchen, die Moss augenscheinlich beim Kokainschnupfen zeigen, kündigt ihr das schwedische Modehaus H&M, auch Burberry und andere Modefirmen verlängern millionenschwere Verträge nicht. Moss muss sich öffentlich entschuldigen.

Die 2011 geschlossene Ehe mit dem Musiker Jamie Hince ist inzwischen auch Geschichte, aktuell ist das Model mit dem Fotografen Nikolai von Bismarck liiert. Ihre wilden Jahre sind vorbei, heute macht sie lieber Gartenarbeit auf ihrem Landsitz in den Cotswolds als Party.

Lila Grace steht bei der Modelagentur ihrer Mutter unter Vertrag. Foto: Imago/IMAGO/Guerin Charles/ABACA

Mit Lila Grace auf der „Vogue“

Seit 2016 hat Moss ihre eigene Modelagentur. Ihre 21-jährige Tochter Lila Grace, die inzwischen selbst Shootings für Modemagazine macht und für Fashion Weeks gebucht wird, steht bei ihr unter Vertrag. „Ich habe ihr gesagt: ‚Du musst nichts tun, was du nicht tun willst. Wenn du dieses Shooting nicht machen willst, wenn du dich nicht wohlfühlst, wenn du nicht modeln willst, dann mach es nicht.‘“ Sie passe auf all ihre Models auf, vor allem die, die noch minderjährig sind. Im Dezember waren Mutter und Tochter zusammen auf dem Cover der britischen „Vogue“.

Mit 50 noch so gefragt sein wie mit 20 – was ist Kate Moss’ Geheimrezept? „Es ist einfach ein Instinkt, kein festgefügter Plan. Ich mache das, was sich richtig anfühlt.“