In dieser Apotheke wurden mehrere Geiseln genommen. Nun beginnt der Prozess. (Archivbild) Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Über Stunden verschanzt sich ein Mann in einer Apotheke und nimmt mehrere Geiseln. Am Landgericht Karlsruhe beginnt nun der Prozess. Der Angeklagte möchte reden.

Er nahm Geiseln, forderte rund sieben Millionen Euro Lösegeld und verlangte zudem, mit seiner Ex-Freundin sprechen zu dürfen: Seit Montag steht ein 21 Jahre alter Mann wegen Geiselnahme sowie versuchter, besonders schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht Karlsruhe

Gleich zum Prozessauftakt wurde die Öffentlichkeit für die Vernehmung zu seiner Person ausgeschlossen. Das Gericht folgte damit einem Antrag der Verteidigung, dem sich auch die Staatsanwaltschaft nicht entgegenstellte. 

Gleichzeitig kündigte der Anwalt des Mannes an, dass sich sein Mandant umfassend äußern werde - sowohl zur Person als auch zur Sache. Letzteres ist erst für den zweiten Verhandlungstag am 19. Februar geplant.

Die Staatsanwaltschaft betonte bei der Verlesung der Anklage das zielstrebige und brutale Vorgehen des Mannes. Der wegen Gewalttaten schon vorbestrafte 21-Jährige habe die Tat vom März 2023 mindestens einen Tag vorher geplant. Dafür habe er sich unmittelbar zuvor auch eine Schreckschusswaffe und ein Tuch besorgt, mit dem er sich am Tattag maskierte. 

Wenn er seine Exfreundin nicht sprechen dürfe, werde es „eklig“

Der Mann habe am späten Nachmittag die Apotheke betreten und sofort in Richtung Theke geschossen. Eine Geisel habe er dann gezwungen, die Tür zu verriegeln und seine Forderungen per Telefon durchzugeben. 

Die Geiseln habe er massiv bedroht, angebrüllt und immer wieder Schüsse an die Decke abgegeben. Wenn er seine Ex-Freundin nicht sprechen dürfe, werde es „eklig“ und Geiseln würden dann sterben, wird laut Anklage berichtet. Einer der Geiseln habe er die Waffe wiederholt an die Schläfe gehalten. 

Die Menschen hätten um ihr Leben gefürchtet

Der Mann nahm drei Geiseln, eine konnte fliehen. Weitere acht Menschen versteckten sich in Todesangst in einer Kammer und auf der Toilette, wo sie rund fünf Stunden ausharrten. Die Menschen hätten um ihr Leben gefürchtet, hieß es weiter. Nach den stundenlangen Verhandlungen stürmten Spezialkräfte der Polizei die Apotheke und nahmen den mutmaßlichen Täter fest. 

Verletzt wurde damals niemand. Aber zwei der Opfer seien bis heute arbeitsunfähig. Weitere litten wegen der Geschehnisse unter Panikattacken und Angstzuständen. Dies hätte der Angeklagte wissen können - und habe die Folgen dennoch billigend in Kauf genommen.  Dem Mann wird auch unerlaubter Waffenbesitz zur Last gelegt. Der älter als 21 Jahre wirkende Angeklagte hörte sich die Vorwürfe ruhig und gefasst an.

Anscheinend erhebliche Gewalterfahrungen in der Kindheit des Angeklagten

Die Vorsitzende Richterin deutete erhebliche Gewalterfahrungen des Mannes in Kindheit und Jugend an. Darüber öffentlich zu sprechen, sei ihm nicht zuzumuten. Der Schutz des Angeklagten, der zum Zeitpunkt der Tat erst 20 Jahre alt war und damit als Heranwachsender gilt, habe hier Vorrang vor dem Interesse der Öffentlichkeit. 

Das Verfahren findet vor der Jugendstrafkammer statt. Ob der Mann damit letztlich auch nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, ist allerdings offen. Das hängt vom Ermessen der Kammer ab.

Ende Februar könnte es ein Urteil geben

Der mutmaßliche Täter ist wegen Gewaltdelikten einschlägig vorbestraft und sitzt deswegen derzeit eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Offenburg ab. Die Reststrafe dafür war eigentlich zur Bewährung ausgesetzt worden. Nach der Geiselnahme aber wurde diese so genannte Reststrafenaussetzung zurückgenommen. 

Für den Prozess sind weitere fünf Verhandlungstage geplant. Zwei Sachverständige und auch mehrere Zeugen sind geladen. Ein Urteil könnte am 29. Februar gesprochen werden.