Schon Silvio Berlusconi wollte einen Psychotest für Italiens Richter und Staatsanwälte (hier ein Urteilsspruch gegen ihn im Jahr 2013). Nun vollendet Giorgia Meloni seinen Plan. Foto: dpa/Alessandro Di Meo

Die Regierung von Giorgia Meloni lässt angehende Richter und Staatsanwälte überprüfen – ein bislang unerfüllter Wunsch ihres Ziehvaters Silvio Berlusconi.

Wenn das Silvio Berlusconi noch hätte erleben dürfen! „Um dieser Arbeit nachzugehen, muss man geistig gestört sein, man muss psychische Probleme haben“, sagte er einst über Richter und Staatsanwälte. „Sie machen diese Arbeit, weil sie sich anthropologisch vom Rest der menschlichen Rasse unterscheiden“, erklärte der im Juni verstorbene, vierfache Ministerpräsident einmal, als gerade wieder einmal neue Ermittlungen gegen ihn aufgenommen worden waren.

2004 versuchte Berlusconi, psychologische Eignungstests für Richter und Staatsanwälte einzuführen. Mit seiner Abwahl zwei Jahre später war das erledigt. Doch nun will Berlusconis ehemalige Jugendministerin und Nachfolgerin Giorgia Meloni den Plan vollenden. Ihre Regierung hat am Dienstag im Rahmen einer Justizreform beschlossen, dass sich angehende Richter und Staatsanwälte künftig einem Test unterziehen müssen, zwischen den schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfungen.

Gewerkschaft droht mit Streiks

Der Test stelle „keine Majestätsbeleidigung“ für die betroffenen Berufsgruppen dar, erklärte Melonis parteiloser Justizminister Carlo Nordio, einst selbst ein renommierter Staatsanwalt, nach dem Regierungsentscheid. Nordio erinnerte daran, dass ähnliche Tests auch für angehende Ärzte, Linienpiloten und Polizisten existierten. Sie würden von unabhängigen Fachleuten entwickelt und unter der Aufsicht der Justizselbstverwaltung durchgeführt. Es gehe der Regierung nicht darum, die Auswahl der zukünftigen Richter und Staatsanwälte zu beeinflussen, versicherte Nordio.

Die nationale Gewerkschaft der Richter und Staatsanwälte (ANM) ist davon keineswegs überzeugt. Der ANM-Präsident Giuseppe Santalucia kündigte umgehend an, dass sich sein Verband mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Tests wehren werde, notfalls auch mit Streiks.

„Das Vorhaben ist verfassungswidrig, weil damit die Unabhängigkeit der Justiz verletzt wird“, betonte Santalucia. Psychotests während der Abschlussprüfung seien völlig unnötig: Die psychologische Eignung angehender Richter und Staatsanwälte werde im Laufe ihrer Ausbildung immer wieder bewertet, das habe es schon immer gegeben. „Das Ziel der Regierung ist offensichtlich: Man will den Leuten einreden, dass es unter den Magistraten Personen gibt, die nicht ausgeglichen sind. Es geht darum, ganze Berufsgruppen in einem ungünstigen Licht erscheinen zu lassen. Das ist eine Provokation“, so Santalucia.

Unabhängig – und ineffizient

Derzeit genießt die italienische Justiz eine in Europa einzigartige Unabhängigkeit. Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern werden in Italien Richter und Staatsanwälte nicht vom Parlament, sondern von ihrem eigenen Selbstverwaltungsorgan namens CSM gewählt. Dieses entscheidet über den Verlauf von Karrieren und ahndet Dienstpflichtverletzungen der Richter und Staatsanwälte. In der Praxis ist das jedoch problematisch: Die Mitglieder des CSM müssten diejenigen Personen sanktionieren, von denen sie später wiedergewählt werden wollen.

Die italienische Justiz ist eine Art Staat im Staat – und wenig effizient. Zivilverfahren dauern in Italien im Schnitt über 1100 Tage, das ist dreimal so lang wie im Schnitt der OECD-Staaten. Jedes Jahr verjähren Zehntausende Straftaten, weil die Strafgerichte nicht hinterherkommen. Dennoch ist fragwürdig, ob die Psychotests das verbessern. Geändert werden müssten vielmehr die Verwaltung und Kontrolle der Justiz sowie das extrem komplizierte Prozessrecht. Die rechtspopulistische Regierung macht derweil lieber die bei den Bürgern unbeliebten „Magistrati“ für die Misere verantwortlich.