Im Mai haben die Fachkräfte ihre Spinde eingeräumt - einer packt jetzt zusammen. Foto: factum/Bach

Deutschland braucht Fachkräfte. Die Unternehmen suchen intensiv – auch im Ausland. Unsere Zeitung begleitet eine solche Anwerbung und die beteiligten Menschen ein Jahr lang. Heute: Viele haben den Sprachtest bestanden – doch einer muss gehen.

Stuttgart/Sindelfingen - Elf Monate. So lange sind 14 examinierte Krankenpflegekräfte aus Italien schon in der Region Stuttgart. Elf harte Monate, in denen sie intensiv Deutsch gelernt und sich auf ihren Stationen eingelebt haben. Elf Monate, in denen ihr Arbeitgeber, der Klinikverbund Südwest in Sindelfingen, nichts unversucht gelassen hat, die Angeworbenen fit für das neue Land und die neuen Aufgaben zu machen. Doch jetzt hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Und es ist klar: Nicht für alle wird der ursprüngliche Traum weitergehen.

Die große Sprachprüfung ist vorüber. Sie muss bestanden sein, um als Fachkraft anerkannt zu werden. Jetzt, nach drei Wochen, stehen die Ergebnisse fest. Elf glückliche Gesichter, zwei enttäuschte – und ein schockiertes. Denn während dem Großteil der jungen Italienerinnen und Italiener die Zukunft in Deutschland offen steht, wird es für einen Kandidaten eng. Er ist nicht nur durch die Prüfung gefallen, sondern arbeitet seit wenigen Tagen nicht mehr für den Klinikverbund Südwest.

„Wir mussten uns leider von einem der Angeworbenen trennen“, sagt Kerstin Franz, die die Personalgewinnung verantwortet. Mit dem Sprachtest hat das zunächst wenig zu tun. Der Kandidat habe es schlicht nicht geschafft, sich „in ausreichendem Maß auf der Station einzuleben“. Einen Wechsel auf eine andere Station während der Einarbeitungszeit habe er abgelehnt, sodass man trotz vieler gemeinsamer Gespräche eine harte Entscheidung treffen musste. „Das ist auch für uns eine Niederlage, denn wir haben uns intensiv um die Leute gekümmert. Aber in diesem Fall waren wir mit unserem Latein am Ende“, sagt Kerstin Franz mit Bedauern.

Die Quote ist gut

Dafür freut sie sich umso mehr für die anderen. „Elf sind auf Anhieb durchgekommen, damit sind wir hoch zufrieden.“ Die Quote liegt damit deutlich höher als bei der ersten Gruppe, die der Klinikverbund vor einigen Jahren angeworben hat. Damals war die Sprachausbildung kürzer angelegt und kein Aufenthalt in Gastfamilien vorgesehen. Die Erleichterung bei den Prüflingen ist enorm. Zum ersten Mal nach fast einem Jahr können sie etwas durchatmen.

Auch für die beiden übrigen, die zwar den mündlichen Teil der Prüfung schon bestanden haben, aber nicht den schriftlichen, sieht Kerstin Franz nicht schwarz: „Bei ihnen weiß man anhand der Ergebnisse genau, woran’s gefehlt hat. Sie müssen jetzt mithilfe von Zusatzunterricht üben, üben, üben und können die Prüfung dann wiederholen.“ Voraussichtlich im März 2016 wird das sein. Bis dahin arbeiten sie als Pflegehelfer zu den bisherigen Bedingungen weiter und nehmen dann einen neuen Anlauf. Abgeschrieben sind sie auf alle Fälle nicht.

Allerdings stehen sie gehörig unter Druck, soll sich der Traum vom Leben als Fachkraft in Deutschland noch erfüllen. „Sie denken nicht daran, aufzugeben“, sagt Gerardo Cardiello. Der Programmgeschäftsführer des Internationalen Bundes in Stuttgart, der die jungen Leute nach Deutschland geholt hat, weiß genau, dass nicht jeder gleichermaßen sprachbegabt ist: „Manche brauchen einfach etwas länger. Diese beiden werden deshalb jetzt Zusatzunterricht bekommen.“

Jetzt steht die Anerkennung bevor

Für alle anderen wiehert der Amtsschimmel. Cardiello und Franz stellen jetzt die Unterlagen zusammen, die das Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) für die offizielle Anerkennung der Abschlüsse braucht. Dazu sind neben dem bestandenen Sprachtest noch viele andere Papiere notwendig. Weil die Mitarbeiter im RP trotz zusätzlicher Stellen nach wie vor durch die Flut der Antragsteller am Anschlag sind und zudem der Jahreswechsel bevorsteht, weiß niemand so genau, wie lange alles dauert. Ende Januar, vielleicht auch erst Ende Februar halten die elf Kandidaten ihre Urkunden in der Hand. Dann dürfen sie sich auch in Deutschland offiziell examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger nennen. Sie verdienen künftig deutlich mehr und sind zu anderen Tätigkeiten befugt. Für sie endet das Programm mit einem Abschlussessen im Februar. Danach müssen sie ihr Schicksal in Deutschland vermehrt allein lenken.

Für den Klinikverbund jedoch ist dieses Ende nur der Auftakt. Die nächste Gruppe ist bereits da, die Anwerbungen im Ausland müssen weiter gehen, denn es fehlt überall an Personal. „Wir stellen uns selbst ständig auf den Prüfstand und überlegen, welche Rückschlüsse wir aus dieser Gruppe ziehen können“, sagt Kerstin Franz. Als Lehre aus dem ersten Versuch vor einigen Jahren hat man die 14 Italiener in den ersten Monaten in Gastfamilien untergebracht, um das Einleben zu erleichtern. Das hat sich bewährt und wird beibehalten. „Außerdem wollen wir künftig gleich nach der ersten Zwischensprachprüfung zusätzlichen Unterricht für diejenigen anbieten, die sich schon da schwer tun“, so Franz. Um Härtefälle wie jetzt zu vermeiden, wenngleich auch Cardiello bestätigt, dass die Durchfallerquote unter dem allgemeinen Schnitt liegt.

Was aus dem Gescheiterten wird, ist noch offen. Die Zelte in Deutschland ganz abbrechen wird er wohl nicht. Cardiello will ihm helfen, einen anderen Arbeitgeber zu finden und die Sprachprüfung zu wiederholen. „Vielleicht funktioniert es für ihn anderswo“, hofft Kerstin Franz. Wenn nicht, ist das Abenteuer, das im Januar so hoffnungsvoll begonnen hatte, für ihn beendet.