Eine Lichtinstallation am Tübinger Rathaus soll die Solidarität demonstrieren. Die Israel-Flagge hängt da schon nicht mehr am Mast (links). Foto: FB/oh

Fast überall in Baden-Württemberg, wo Israel-Flaggen hängen, werden sie schnell herunter gerissen. Jetzt sitzt ein Täter deshalb hinter Gittern.

Lange hat sich Boris Palmer geziert. Im Jahr zuvor hatte die Stadt Tübingen die Fahne der Ukraine vor dem historischen Rathaus gehisst, mehrfach sei sie heruntergerissen worden. So etwas solle mit der Flagge von Israel nicht passieren, fand Palmer und verzichtete bisher darauf, die Fahne als Zeichen der Solidarität nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober zu hissen. Jetzt hat er es doch getan und schneller Recht behalten, als ihm lieb gewesen sein dürfte. Nur zehn Stunden wehte die Flagge vor dem Rathaus, dann wurde sie abgerissen. Ein Überwachungsvideo, das Palmer auf Facebook hochlud, zeigt, wie ein Mann mit weißem Hoodie und schwarzer Hose nach der Tat jubelnd davon eilt.

Von einem „beschämenden Tag für unsere Stadt“, schrieb Palmer auf Facebook. Der Vorfall von Tübingen ist allerdings kein Einzelfall, wie eine Umfrage unserer Zeitung ergab. Auch in Karlsruhe verschwand über Nacht vor dem Rathaus eine Israel-Flagge. In Ulm wurde sie in der Halloween-Nacht mit Eiern beworfen. Vermutlich in derselben Nacht hinterließen Unbekannte Hakenkreuze und propalästinensische Parolen an den Wänden im Hauptturm des Münsters.

Angekokelt, heruntergerissen, gefällt

In Villingen-Schwenningen wurden vor den Rathäusern in beiden Stadtteilen bereits Israel-Flaggen heruntergerissen. In Villingen wurde der komplette Fahnenmast gefällt. In Friedrichshafen wurde die Flagge angekokelt. Vor dem Esslinger Rathaus wurde sie zweimal mit roter Farbe beschmiert. Auch in Pforzheim wurde die auf dem Ratssaaldach gehisste Flagge von Unbekannten entfernt und beschädigt. Weitere Flaggenschändungen ereigneten sich in Stuttgart sowie in Fellbach, Waiblingen und Schwäbisch Gmünd.

Polizei und Staatsanwaltschaften nehmen die Vorfälle ernst. Ein Mann, der vor vier Wochen die Israel-Flagge vor dem Heilbronner Rathaus vom Fahnenmast gerissen und beschädigt haben soll, sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Der 31-Jährige sei vorbestraft und verfüge über keinen fest Wohnsitz. Zwei mutmaßliche Mittäter seien ebenfalls festgenommen worden, aber mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Bei Hausdurchsuchungen habe unter anderem die Tatkleidung sicher gestellt werden können. Insgesamt richte sich der Tatverdacht gegen vier Asylbewerber aus dem Gazastreifen und Syrien im Alter von 24 bis 31 Jahren. Sie hätten nach der Veröffentlichung von Bildern in den sozialen Medien ermittelt werden können.

Es gibt auch Ausnahmen

In einigen Städten blieb es allerdings auch ruhig. In Ravensburg befinde sich der Fahnenmast direkt an der Gebäudefassade und damit außer Reichweite von unberechtigten Zugriffen. Auch in Baden-Baden, Heidelberg und Mannheim hängt die Israel-Flagge bisher unbehelligt – in Mannheim mit Trauerflor. „Wir haben seither keinerlei negative Erfahrungen machen müssen, sondern im Gegenteil viele positive Rückmeldungen erhalten“, sagte ein Sprecher der Stadt Heidelberg. Freiburg hisste die Flagge der Partnerstadt Tel Aviv-Yafo. Auch sie blieb bisher unbeschädigt.

Während Heilbronn nach dem Vorfall sämtliche Fahnenmasten zunächst leer ließ, wurden die abgerissenen Flaggen in den anderen Städten möglichst schnell gereinigt, repariert oder ersetzt. „So oft es notwendig wird, werden wir die Israel-Flagge nachbestellen und am Rathausdach hissen“, kündigte der Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) an. „Wir haben den längeren Atem.“

In Mannheim blieb die Flagge mit Trauerflor bisher unbehelligt. Foto: Stadt Mannheim/oh

Palmer ließ am Freitagabend den Davidstern und den Schriftzug „Nie wieder ist jetzt!“ auf das Rathaus projizieren. Inzwischen ist er auch bereit, eine neue Israel-Flagge hissen zu lassen. Zuvor hatte sich der jüdische Kulturverein bei ihm gemeldet und eine Mahnwache angekündigt.