Großes Aufsehen: Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt am 4. Januar 2023 den Hyperschall-Marschflugkörper Zirkon für in Dienst gestellt. Foto: dpa/Mikhail Klimentyev

Mit der Indienststellung von Zirkon-Hyperschall-Marschflugkörpern hat Russland Aufsehen erregt. Steckt dahinter mehr Schein als Sein?

Seit Monaten jagt eine russische Erfolgsmeldung über die Hyperschall-Lenkwaffe Zirkon die nächste: einsatzreif, in die Massenproduktion gegangen – und unantastbar für jedwede westliche Luftabwehr, hieß es in Verlautbarungen der Regierung über den angeblich bis zu 11 000 Kilometer pro Stunde schnellen Marschflugkörper. Den vorläufigen Höhepunkt bildete der Multimediaauftritt von Präsident Wladimir Putin mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu am vergangenen Mittwoch: Sie schickten die Admiral Gorschkow, die modernste Fregatte Russlands und der Nordmeerflotte, auf große Fahrt. Mit markigen Worten, mit dem Ziel Mittelmeer – und mit Zirkon an Bord.

Schon einmal ein Ziel getroffen?

Bei genauerem Hinsehen wirkt alles weniger eindrucksvoll. Russland hat den Eindruck westlicher Experten nie widerlegen können, es besitze allenfalls 20 Testexemplare dieser Waffe, zu der es nichts Vergleichbares in den Arsenalen anderer Länder gibt. Kein Nachweis wurde veröffentlicht, dass die Zirkon über ihre Maximalreichweite von etwa 500 Kilometern schon einmal ein Ziel getroffen hat. Was in auffälligem Widerspruch zum Showcharakter der angeblichen Indienststellung vergangene Woche steht.

Unerklärt bleibt, warum der für sehr hoch fliegende Überschallflugzeuge gedachte Flugkörper nun als bis zu elf Meter lange Cruise Missile von Kampfschiffen verschossen werden soll. So lässt sich die Reichweite steigern, weil beim Abschuss durch große Schiffe die Kombination mit Feststoff-Antriebsraketen möglich ist. Es steigen aber auch die Risiken der Aufklärung und Vernichtung der Zirkon.

Grenzen der Zuverlässigkeit

Russische und ausländische Veröffentlichungen haben über Jahre – das Zirkon-Programm läuft seit 2011 – Schwierigkeiten mit dem riesigen Überschall-Staustrahl-Triebwerk dokumentiert. Ein technisches Problem, das auch Ingenieure anderer Länder für eine militärische Anwendung noch nicht lösen konnten. Der frühere Luftwaffengeneral und SPD-Bundestagsabgeordnete Manfred Opel schreibt in einem im September veröffentlichten „Newsletter Verteidigung“ des Verlags Deutsche Spezialmedien: „Schon bei geringsten seitlichen Böen, wie sie in großen Höhen üblich sind, kann dieses zweidimensionale Scramjet-Triebwerk leicht erlöschen. Das geschah bei der Erprobung bereits mehrfach. Ein derart unzuverlässiges Flugkörpersystem ist insbesondere als operativer Träger für Nuklearsprengköpfe absolut ungeeignet.“

Wo liegt der Mehrwert für Russland?

Ein konventioneller Einsatz der Zirkon wiederum sei wegen der Waffenlast von bis zu 300 Kilogramm nur mit „verhältnismäßig geringer Wirkung“ möglich, führt Opel weiter aus. Das wirft die Frage auf, wo der militärische Mehrwert für Russland liegen soll. Schließlich verfügt das Land über eine Fülle nuklearer Kurz- und Mittelstreckenraketen. Außerdem steht mit der Ch-47M2 Kinschal eine leistungsfähige Überschall-Lenkwaffe zur Verfügung, mit der russische Flugzeuge bereits Ziele in der Ukraine beschossen haben.