Im Vorbereitungskurs der Technikhochschule lernen Flüchtlinge, was man für ein Bau-Studium mitbringen muss. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Deutsches Zeitgefühl, direkte Kommunikation und deutsche Baufachbegriffe – das lernen Flüchtlinge in einem Vorbereitungskurs an der Hochschule für Technik. „Ein Experiment“, sagt Rektor Rainer Franke.

Stuttgart - Wer als Ausländer in Deutschland beruflich Fuß fassen will, sollte nicht nur Deutsch können, sondern muss auch wissen, wie sie ticken, die Deutschen. Wie, das bekommen derzeit 20 Flüchtlinge an der Hochschule für Technik (HfT) vermittelt: 15 Syrer, drei Iraner und je ein Afghane und Äthiopier nehmen an einem Vorbereitungskurs für Bau-Studienfächer teil. Fast die Hälfte von ihnen sind Bauingenieure, die anderen hatten in ihren Heimatländern ein Baustudium begonnen. Das Angebot wird über den Deutschen Akademischen Austauschdienst finanziert. Zwei Monate lang werden sie an der HfT über Studiengänge informiert, erhalten Praxis-Einführungen in Bauverfahren, besichtigen Baustellen, bekommen Praktika vermittelt, hören Vorlesungen über Deutsch für Bautechniker, und werden im interkulturellen Training für die Tücken der hierzulande üblichen direkten Kommunikation sensibilisiert.

Tücken der Mülltrennung und Vorstellung von Pünktlichkeit

„Ich sag das direkt, wenn ich sauer bin“, sagt Michael Geiger, der Leiter des Akademischen Auslandsamts. Diese Art der unverschnörkelten Rückmeldung haben einige der Teilnehmer bereits kennengelernt. „Ich wohne in Münster, dort gibt es nur Schwäbische“, erzählt einer von ihnen. „Mein Nachbar hat gesagt, du hast deinen Müll nicht getrennt.“ Da habe er gefragt: „Woher weißt du?“ Darauf der Nachbar: „Ich habe deinen Müll gesehen.“ Auch in puncto Pünktlichkeit gebe es kein Pardon, sagt Geiger: „Bei uns muss alles ablaufen wie eine Maschine.“ Die Teilnehmer lachen. Die Hochschule hat für die Flüchtlinge auch Besuche bei Züblin und dem Büro Drees und Sommer organisiert. „Wir können nicht zu spät kommen, das geht nicht“, schärft Geiger seinen Schützlingen ein. „Ja“, sagen die. Und wenn, wie geschehen, ein junger Studierender aus Algerien beim Restaurantbesuch sage, er könne hier nicht bleiben, weil Alkohol ausgeschenkt werde, so könne er das „nicht verstehen“, sagt Geiger. Das habe der Stimmung in der Gruppe nicht gut getan.

Positive Rückmeldung von Firmen – viele suchen einsatzfähige Ingenieure

Thomas Benz, Dekan der Fakultät Bauingenieurwesen, Bauphysik und Wirtschaft, lobt die Flüchtlinge für ihre Sprachkenntnisse: „Ich war überrascht, dass meiner Vorlesung Fertigungstechnik so viele folgen konnten.“ Auch von Seiten der Unternehmen habe es positive Rückmeldungen gegeben. Manche Firmen hätten allerdings gesagt: „Wir brauchen gleich einsatzfähige Ingenieure.“ Einer der Teilnehmer weist darauf hin, wie wichtig es für ihn und die anderen sei, die deutschen Fachbegriffe in der Bautechnik zu beherrschen – „aber die kann man nicht in einer normalen Sprachschule lernen“. Auch Delshad Manje, ein 27-jähriger Bauingenieur aus Syrien, räumt in sauberem Deutsch ein: „Uns fehlt die Fachsprache. Diese kommt bei der Arbeit. Wir brauchen noch ein bisschen Zeit.“ Manje ist seit zwei Jahren in Deutschland und wohnt in Nürtingen – „ganz genau in einem Dorf, das heißt Neckarhausen“. Doch er scheut den weiten Weg täglich zur HfT in die Stuttgarter Innenstadt nicht, andere Kursteilnehmer kommen von noch weiter weg, etwa aus St. Johann auf der Alb.

Zwei Monate dauert der Kurs. Ob das zu lang sei, fragt Geiger. „Zu kurz“, sagen die Teilnehmer. Am liebsten würden sie „mit den anderen Studenten am Anfang des Semesters anfangen“. Rektor Rainer Franke erklärt, weshalb das nicht geht: „Das hat Kapazitätsgründe. Wir sind sehr voll. Und das ist ja ein freiwilliges Angebot.“ Franke spricht von einem Experiment, das man auch noch für die anderen Fakultäten anbieten wolle. Und: „Bisher hatten wir nur technisches Englisch – der nächste Schritt wäre Fachdeutsch.“

Die Auswahl der Studienbewerber ist hart, eine Vorzugsbehandlung gibt es nicht

Am Ende des Vorbereitungskurses werden die Teilnehmer ein Zertifikat erhalten. Sofern sie auch die Deutsch-Anforderungen erfüllen, könnten sie sich „an einer Hochschule bewerben – wie die anderen“, sagt Franke. Eine Vorzugsbehandlung werde es nicht geben, die Auswahl ist hart. Im Bauingenieurwesen wollten im vergangenen Wintersemester 562 Bewerber einen der 80 Studienplätze ergattern, in BWL konkurrierten 1300 Bewerber um einen der 50 Plätze. Bei solchen Fächern sei die Zahl der Ausländer auf maximal acht bis zehn Prozent begrenzt, so Franke. Delshad Manje würde gern ein Masterstudium machen, am liebsten im Tunnelbau. Dort hatten sich an der HfT im Wintersemester 23 Interessenten auf 15 Plätze beworben.

Geiger macht den Kursteilnehmern Mut: „Wir brauchen Ingenieure. Mit dem Fachkräftemangel haben Sie gute Perspektiven. Das wichtigste Wort ist ‚Durchhalten’.“ Auch Franke setzt auf den Nutzen des Vorbereitungskurses: „Wenn wir ein paar Leuten wenigstens eine Perspektive bieten können, wär das schon eine tolle Sache.“