Jan Maier hat versucht, es sich in seinem Zimmer im „Haus Friedrichstraße“ gemütlich zu machen. Er hofft aber, bald wieder ein eigenes Zuhause zu haben. Foto: /Julian Rettig

Das Aufnahmehaus in der Backnanger Friedrichstraße, mit dem die Erlacher Höhe Menschen in Not übergangsweise hilft, feiert Jubiläum. In den vier Jahrzehnten hat sich viel gebessert, doch die aktuelle Wohnungsnot ist ein gewichtiges Problem.

Jan Maier hatte nicht immer Glück im Leben. Er hatte sogar schon so viel Unglück, dass er kein Dach mehr über dem Kopf hatte. Zweimal schon war deshalb das „Haus Friedrichstraße“ der Erlacher Höhe die rettende Adresse des Mannes, der seinen echten Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Bereits zwischen 2005 und 2006 war er ein Jahr dort. Dann stabilisierte sich für einige Zeit alles, bis er im Sommer 2023 erneut zum Bewohner des Aufnahmehauses „Haus Friedrichstraße“ in Backnang wurde. „Ich habe damals bei meinem ersten Aufenthalt dort meine jetzige Ex-Frau kennengelernt. Das hat immerhin 13 Jahre gut funktioniert“, sagt der 40 Jahre alte Mann.

Jan Maier ist gleich alt wie das „Haus Friedrichstraße“

Er ist damit genau gleich alt wie die Unterkunft, die ihm schon zweimal Obdach in schwierigen Zeiten gewährt hat. 1983 wurde das Haus in der Backnanger Friedrichstraße als „Anlaufstelle für Nichtsesshafte“ als erste Fachberatungsstelle mit angegliedertem Aufnahmehaus eröffnet. Seinerzeit ein Novum in Baden-Württemberg. Mit der Inbetriebnahme der Einrichtung 1983 vollzog sich eine wichtige konzeptionelle Neuerung. In dem Backnanger Gebäude wurden erstmals hilfesuchende Menschen nicht mehr nur beraten, sondern auch ambulant untergebracht und versorgt. Es ist bis heute als vorübergehende Hilfe für Menschen gedacht, die sonst auf der Straße ständen.

Anton Heiser, ehemaliger langjähriger Leiter der Abteilung Ambulante Hilfen Rems-Murr, blickte beim Gespräch anlässlich des Jubiläums zurück und sagte: „Früher mussten wohnungslose Menschen nach Großerlach. Ab den 1980er Jahren gab es mehr ambulante Angebote, man wollte die Menschen dort aufsuchen, wo sie sind.“ Er erinnerte sich daran, dass in den 1990er Jahren um die 25 Personen in Backnang auf der Straße lebten und teils auch unter der Annonay-Brücke schliefen.

Es war ein Gespräch mit vielen Rückblicken

Es war generell ein Gespräch mit vielen Rückblicken. Aber Wolfgang Sartorius, geschäftsführender Vorstand der Erlacher Höhe, blickte mit den Gesprächspartnern auch nach vorne. Denn im Laufe der 40 Jahre hätten sich nicht nur die Wohn- und Hilfestandards der Einrichtung verändert, sondern auch ihr Name. Um stigmatisierende Begriffe zu vermeiden, wurde die „Anlaufstelle für Nichtsesshafte“ Ende der 1980er Jahre zunächst in „Fachberatungsstelle für alleinstehende wohnungslose Menschen“, dann in „Anlauf- und Beratungsstelle Backnang“ umbenannt. Die Bewohner des Hauses hätten sich recht wenig um solche formellen Dinge gekümmert und das Haus schon immer ganz praktisch und richtig „die Friedrichstraße“ genannt. Und so heißt das Gebäude seit 1995 auch. „Viele sind damals dem Konzept Friedrichstraße gefolgt, und heutzutage gibt es kaum noch weiße Flecken. Ein Basisangebot für Wohnungslose ist in nahezu jedem Landkreis zu finden“, sagte Sartorius. Aber schon früher und besonders dieser Tage hätten die Bewohner der Hilfeeinrichtungen das Problem, wie sie wieder in eigenen Wohnraum finden und die Schieflage beheben. „Ein Stichwort ist Prävention. Wir haben eine Fachstelle, die bei drohender Not, zum Beispiel durch Eigenbedarf, vermittelnd hilft und manches abwendet. Wir sind darauf angewiesen, dass Vermieter für unsere Anliegen offen sind.“ Darauf hofft auch Jan Maier, wenn er dann mit der Wohnungssuche beginnt. Aber aktuell fühlt er sich im „Haus Friedrichstraße“ wohl und möchte erst mal mit einem Fernstudium einen anderen Beruf erlernen und wieder auf die Füße kommen. „Mein altes Leben war kompliziert. Da haben Alkohol und falsche Freunde eine Rolle gespielt“, sagt der 40-Jährige, der noch Kontakt zu seiner Ex-Frau pflegt und täglich mit seiner Tochter telefoniert.

Nur gut also, dass das „Haus Friedrichstraße“ längst auf Einzelzimmer umgestellt wurde und damit ein bisschen mehr Privatsphäre für die vielen Bewohner bietet, die über all die Jahre dort Unterschlupf gefunden haben. Küche und Bad des in die Jahre gekommenen Gebäudes müssen geteilt werden. „Da wird es auf jeden Fall bald Zeit für einen Neubau“, sagte Sartorius und stieß auf offene Ohren bei Michael Belz, der genau wusste, wie viele schon die alte Treppe hochgestiegen sind. „In den 40 Jahren haben wir nur in der Friedrichstraße 5000 Menschen betreut. Aktuell leben 14 Personen zwischen 18 und 55 Jahren hier“, sagte der Leiter der Abteilung Ambulante Hilfen Rems-Murr der Erlacher Höhe. Zudem gebe es benachbart noch eine Notunterkunft und Zimmer für Abstinente. Ein Problem, das sie alle vereine, sei der schwierige Wohnungsmarkt. Trotzdem erhalten Bewohner Anleitung, wie sie eine künftige eigene Wohnung sauber halten. „Wir betreuen Bewohner, schauen nach Bedürfnissen und entwickeln einen Hilfeplan mit Zielen“, sagte Petra Brinckmann, Sozialarbeiterin „Haus Friedrichstraße“.

Jan Maier macht kleine Schritte. Er freut sich jetzt auf Weihnachten, das er „erst mit der Familie und dann gemütlich in der Friedrichstraße“ verbringen wird.