Von Susanne BendaMensch, sind die mutig. An den Beginn ihres Konzerts

Von Susanne Benda

Mensch, sind die mutig. An den Beginn ihres Konzerts im fast voll besetzten Stuttgarter Mozartsaal stellen die Salzburger Geschwister Lukas , Veronika und Clemens Hagen gemeinsam mit ihrem zweiten Geiger Rainer Schmidt am Donnerstagabend Franz Schuberts c-Moll-Quartettsatz.

Und sie werfen sich mit solcher Bedingungslosigkeit hinein in diese haltsuchende, zerrissene Musik aus dem Jahr 1820, als wollten sie sie mit aller Kraft hineintreiben in unsere Zeit des emanzipierten Individuums.

Vor allem Lukas Hagen an der ersten Geige des originären Familienensembles führt die schroffen Kontraste der Stimmungen derart ins Extrem, dass die Stimmung seines eigenen Instruments schwer darunter leidet. Das nimmt der Primarius aber in Kauf, und tatsächlich wirkt anschließend der Eingangssatz von Dmitri Schostakowitschs 14. Quartett wie eine logische Fortführung.

Beim kultivierten Mit- und Gegeneinander beweist das Hagen-Quartett vor allem in diesem Stück, dass es fast dreißig Jahre nach seiner Gründung noch immer scheinbar Paradoxes zusammenbringen kann: vier selbstbewusste, selbstbestimmte Persönlichkeiten und ein gemeinsam erreichtes Ganzes. Dabei verschmelzen die Konturen im Mittelsatz auf eine für Schostakowitsch ungewöhnliche Weise zu einer melancholisch getönten Utopie, und der schöne Geist der Empathie herrscht bis zum Schluss.

Von jedem anderen von Schostakowitschs Quartetten hätte der dramaturgische Weg zwangsläufig hingeführt zur zeitgenössischen Musik; das wäre wundervoll und sicherlich im Sinne des Ensembles gewesen, das sich mit neuen Klängen ja oft und gerne beschäftigt. So jedoch passt auch einer von Beethovens vollendetsten und beliebtesten Beiträgen zur Gattung, das zweite der Rasumowsky-Quartette op. 59. Schade nur, dass das Hagen-Quartett in seinem Bemühen, Tempi und Einzellinien des Eingangssatzes ins Extreme zu treiben, den Verlust etlicher Details und etlicher subtiler Schönheiten ebenso billigend in Kauf nahm wie abermalige Einbußen bei der Tongenauigkeit seines geigenden Frontmanns. Das trübte das Bild.

Die eindrucksvolle gemeinsame Vertiefung im Adagio und die Raffinesse, mit der die Musiker die rhythmischen Verschiebungen im Allegretto ausreizten, gaben einem Abend, der sich immer wieder hart am Abgrund bewegte, dann aber doch noch ein versöhnliches Ende.