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Hansgrohe: Wie schwer es für eine Firma auf dem Land ist, bei Mitarbeitern zu punkten.

Schiltach - In der zurückliegenden Krise war das Interesse an einem Job bei Hansgrohe im Schwarzwald groß. "Kaum ist die Krise vorbei, rennen alle wieder zu den großen Unternehmen", sagt Vorstandschef Siegfried Gänßlen. Der mittelständische Sanitärhersteller muss sich mächtig ins Zeug legen, um mithalten zu können.

Gut 100 Kilometer sind es vom Stuttgarter Flughafen bis Schiltach im Schwarzwald. Zuletzt zieht sich die Landstraße zwischen bewaldeten Bergen und immer enger werdenden Tälern. Der Ort mit seinen Fachwerkfassaden ist überschaubar. "Man muss ein Fan vom Schwarzwald sein, um hierherzuziehen", räumt Gänßlen ein. Den gebürtigen Stuttgarter hat es 1994 nach Schiltach zu Hansgrohe verschlagen. Seit 2008 ist er der Chef des Armaturen- und Brausenherstellers.

Aufgrund seiner Lage im Schwarzwald muss das mittelständische Unternehmen seit jeher mehr tun, um qualifizierte Mitarbeiter für den Standort zu begeistern. In Internet-Blogs wirbt es mit den Entwicklungschancen, die jungen Leuten geboten werden. Schon der Nachwuchs darf etwa während seiner Auszubildung ins Ausland. Und wenn ein Facharbeiter studieren möchte, wird das gefördert. "Wir müssen uns mehr anstrengen als Daimler oder Bosch, um als guter Arbeitgeber bekannt zu werden", sagt der Unternehmenschef. "Schiltach ist nicht der Nabel der Welt."

Das familiengeführte Unternehmen strengt sich an: Die Bezahlung ist übertariflich, die Mitarbeiter erhalten eine Betriebsrente von 300 bis 400 Euro im Schnitt. Weihnachten gibt es kleine Geschenke für die Belegschaft, beispielsweise ein Navigationsgerät oder Utensilien für die Küche.

Selbst im Krisenjahr 2009 hat Hansgrohe eine Erfolgsprämie gezahlt. Nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle - auch in der Schleiferei, in der Logistik, am Band und auch für Zeitarbeiter. "Die Stammbelegschaft wurde gehalten, über Kürzungen beim Lohn, bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben wir nicht einmal diskutiert", zählt Gänßlen auf.

Im wachsenden Wettbewerb um Nachwuchs- und Fachkräfte reichen diese Anreize allein nicht mehr aus. Deshalb verfolgt Hansgrohe das Ziel, die Gesundheit und die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter, die an Bord sind, zu erhalten - wenn möglich bis zum Rentenalter. Der demografische Wandel schlägt auch beim Sanitärhersteller zu. In den kommenden zehn Jahren wird der Anteil der Hansgrohe-Beschäftigten, die 50 Jahre und älter sind, von heute 21 Prozent auf 50 Prozent steigen.

Ein Projekt, in das die Mitarbeiter aktiv einbezogen worden sind, hat Lösungen entwickelt. "Ein Leitgedanke war: Wir müssen uns um die Älteren kümmern", sagt Gänßlen. So ist das Unternehmen auf den vielfach geäußerten Wunsch älterer Mitarbeiter nach flexibleren Arbeitszeiten eingegangen und hat ihn mit den betrieblichen Anforderungen abgestimmt. Heute gibt es über 200 Arbeitszeitmodelle im Unternehmen. Beispielsweise können Sonderprämien in Stunden umgewandelt werden. Mitarbeiter sammeln diese auf einem Langzeitkonto und können bei Bedarf eine längerfristige arbeitsfreie Zeit beantragen. Daneben wurden in der Produktion die Pausen flexibler organisiert. Obendrein können Mitarbeiter von Zeit zu Zeit auch Auszeiten, sogenannte Sabbaticals, in Anspruch nehmen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Lernen im Alter. Weiterbildungsprogramme sind speziell für ältere Beschäftigte erarbeitet worden. "In Gesprächen haben wir festgestellt, dass Ältere nicht mit jungen Internet-Freaks gemeinsam am PC geschult werden wollten", nennt Gänßlen ein Beispiel.

Das Bemühen, Mitarbeiter im Arbeitsprozess zu halten, betrifft allerdings nicht nur Ältere, bemerkt Gänßlen. "Burn-out, Stress oder Rückenleiden sind auch bei Jüngeren anzutreffen." Hansgrohe hat deshalb eigens einen Sportwissenschaftler als Gesundheitsmanager eingestellt. Unter seiner Anleitung können Mitarbeiter beispielsweise auf professionellen Fitnessgeräten gezielt ihre Rückenmuskulatur aufbauen. Zum Gesundheitsmanagement gehören auch das Angebot von Lauftreffs, eine gesunde Küche und die Möglichkeit, sich gegen einen kleinen Obolus 10 bis 15 Minuten am Arbeitsplatz massieren zu lassen.

Um das Gesundheitsbewusstsein der Mitarbeiter zu schärfen, startet Hansgrohe übers Jahr noch so manche kleinere Aktion. Einmal im Monat gibt es einen aufzugfreien Tag. Aufzüge werden gesperrt, und die Wege in verschiedene Stockwerke müssen zu Fuß zurückgelegt werden. Im Sommer wird einmal im Monat ein Fahrradtag ausgerufen. Wer kann, soll mit dem Rad zur Arbeit fahren. Zweimal im Jahr wird der E-Mail-freie Tag gelebt. Viel zu oft würden sich Mitarbeiter von einem Zimmer ins andere Mails schicken. "Wir wollen, dass sie sich bewegen, rübergehen und miteinander sprechen", erklärt Gänßlen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, ergänzt der Firmenchef: "Wir wollen kein Wellness-Center werden." Auch das Unternehmen profitiere von den Neuerungen. Die Krankheitsquote habe sich wesentlich gebessert, die Produktivität sei gesteigert worden. "Wenn die Leute zufriedener sind, arbeiten sie lieber", sagt Gänßlen.

Auch wenn der Wettbewerb um qualifizierte Kräfte härter wird: Hansgrohe will im Schwarzwald bleiben. "Weggehen ist kein Thema", sagt Gänßlen. Das Unternehmen ist über 100 Jahre in Schiltach verwurzelt und der größte Arbeitgeber am Ort. "Wenn wir weggingen, würden wir die Infrastruktur der Stadt totmachen."