Bis rund drei Meter Tiefe reicht das 25-Meter-Becken hinab. Foto: Stefanie Schlecht

Seit fast neun Jahren ist diese Schwimmhalle geschlossen. Eine Neubebauung ist geplant, die Umsetzung aber nicht in Sicht. So lange bleibt das Bad verwaist – ein kurioser Ort mitten im Wohngebiet.

Rot-weiße Schwimmleinen und eine Stoppuhr gammeln in der Ecke, auf den kahlen Bänken ist schon lange niemand mehr gesessen. In den verlassenen Umkleideräumen hängen Kunststoff-Kleiderhaken mit Netz traurig nebeneinander, das gähnend leere 25-Meter-Becken hat seit Jahren keine Schwimmer mehr gesehen. Hier herrschen Stille, Staub und Endzeitstimmung.

Seit 2015 ist das Hallenbad auf dem Galgenberg in Böblingen geschlossen. Fast 60 Jahre lang hatten sich Wasserratten dort ausgetobt, dann wurde der Sanierungsbedarf des Gebäudes zu groß. Schon seit Langem ist geplant, dass an gleicher Stelle ein Neubau mit Turnhalle und Kita entsteht – wann, bleibt aber aufgrund der unzähligen Bauprojekte in der Stadt derzeit unklar. Und so versprüht das verwaiste Bad zunehmend den Charme einer Schauerfilm-Kulisse.

Der Bademeister-Raum wirkt, als sei er hastig verlassen worden. Foto:  Stefanie Schlecht

Fünf Jahre nach der Gründung der Schwimmabteilung der SV Böblingen bekamen die Wassersportler im Dezember 1957 endlich ein eigenes Hallenbad. Günter Süssespeck kann sich gut daran erinnern: „Da wurde ein Traum wahr“, erinnert sich der 74-Jährige, „vorher mussten wir im Winter nach Stuttgart-Heslach zum Trainieren.“ Damals zog Süssespeck als junger Bub erstmals seine Bahnen im Verein und wuchs mit dem Galgenberg-Bad quasi auf. Ab 1978 führte er die Schwimmer-Abteilung 28 Jahre lang.

Lost Place voller Leere statt Leben

„Damals gab es ja kaum Hallenbäder in der Region“, erinnert er sich, „das war dann schon toll, ein eigenes Hallenbad zu haben – wie zum Beispiel auch Sindelfingen mit dem Klostergarten-Bad.“ Und das Gebäude wurde stark genutzt. Regelmäßig fanden Mannschaftswettbewerbe und Vereinsmeisterschaften statt, zudem der Trainingsbetrieb und Schwimmunterricht. Anfangs gab es neben den Schwimmern auch noch die Springer und Wasserballer in Böblingen, 1974 kamen die Taucher hinzu. Auch die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft nutzte das Galgenberg-Bad, um den Ernstfall zu proben.

Arbeitslose Haartrockner Foto:  Stefanie Schlecht

Kurios bis heute: Auf dem Hallenbad steht eine Turnhalle, die nach wie vor genutzt wird – insbesondere von der benachbarten Ludwig-Uhland-Grundschule. Wer die Glastüren am Gebäudeeingang hinter sich lässt, kann ebenerdig in die Sporthalle durchstarten oder rechts ins Untergeschoss hinabsteigen, um ins kühle Nass zu springen – zumindest bis vor knapp neun Jahren.

1952 startete seinerzeit des Galgenberg-Bauprojekt: Schule, Kindergarten und Turnhalle samt Bad kosteten rund drei Millionen D-Mark. Viele Jahrzehnte lief der Betrieb nahezu reibungslos, doch ab etwa 2000 gab es zunehmend Probleme mit dem sanierungsbedürftigen Galgenberg-Bad. Schließlich entschied sich der Gemeinderat für einen zusätzlichen Anbau am neueren Murkenbach-Hallenbad und damit für die Schließung am Galgenberg. „Logischerweise war da die Wehmut groß“, sagt Günter Süssespeck, „aber auch die Vorfreude auf ein neues Becken am Murkenbach.“

Verwaister Umkleideraum Foto:  Stefanie Schlecht


Doch wann das tatsächlich umgesetzt wird, ist immer noch offen. Denn in Böblingen wird derzeit einfach zu viel gebaut und geplant. Insbesondere Schulsanierungen und Kita-Neubauten fressen die Kapazitäten auf dem Rathaus, das Neubauprojekt auf dem Galgenberg steht hintenan. „Aufgrund der Aufgabenfülle im Bereich des Gebäudemanagements konnten weitere Planungsschritte nicht vollzogen werden“, schreibt die Stadtverwaltung. „Ungeachtet dessen steht das Vorhaben weiterhin auf der Agenda.“ Einen genauen Zeitplan hierfür gebe es allerdings noch nicht. Mal sehen, wie lange der Dornröschenschlaf des Galgenberg-Bades anhalten wird.

Serie „Lost Places

Lost Places
Der Begriff beschreibt verlassene Orte, oftmals handelt es sich um aufgegebene, dem Verfall überlassene Gebäude. Nicht immer haben diese historische Bedeutung. Gemein ist ihnen jedoch ihre geheimnisvolle Aura. Die Bezeichnung Lost Place ist ein Pseudoanglizismus, der sich im deutschsprachigen Raum etabliert hat.

Serie
In loser Folge stellen wir in den kommenden Wochen Lost Places in der Region Stuttgart vor, erzählen ihre Geschichte und dokumentieren fotografisch ihr morbides Ambiente. Manche dieser Orte sind offen sichtbar, andere verfallen – teils seit Jahrzehnten – unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Geheimnisvolles Stuttgart
Auch direkt in der Landeshauptstadt finden sich Überraschungen. Von Tipps und Ausflugszielen bis hin zum Lost Place hoch über der Autobahn A81 sammeln wir sie online unter dem Titel „Geheimnisvolles Stuttgart“.