Messner zu der umstrittenen Guinness-Buch-Entscheidung: „Das interessiert mich nicht, ob mein Name im Guinness-Buch steht . . . Einen Rekord, den ich nie in Anspruch genommen habe, kann man mir auch nicht nehmen.“ Foto: Imago/Alexander Gonschior

Reinhold Messner gilt seit Jahrzehnten als erster Mensch, der alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hat. Weil das Guinness-Buch der Rekorde nun neue, umstrittene Daten nutzt, ist der Ausnahme-Alpinist zwei seiner Titel dort los. Einen Urheber der Berechnungen kritisiert Messner scharf.

Bergsteiger-Legende Reinhold Messner hat gelassen auf den Verlust zweier seiner Titel im Guinness-Buch der Rekorde reagiert. Bislang galt Messner dort als der erste Mensch, der alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hat – und außerdem als erste Person, die dies ohne Hilfe von Sauerstoff aus der Flasche geschafft hat.

Gemäß neuer Berechnungen wird nun in der neuen Ausgabe des Buchs dem US-Bergsteiger Ed Viesturs dieser Titel zugesprochen, wie die Organisatoren auf ihrer Homepage mitteilten.

Messners Reaktion: „Das interessiert mich nicht!“

Messner sagt zu der Entscheidung: „Das interessiert mich nicht, ob mein Name im Guinness-Buch steht!“ Er habe Zeit seines Lebens nie einen solchen „Weltrekord“ für sich reklamiert. „Einen Rekord, den ich nie in Anspruch genommen habe, kann man mir auch nicht nehmen.“

Grundlage der Guinness-Buch-Entscheidung sind neue Berechnungen mit Geodaten, wonach manche Gipfel bislang nicht korrekt identifiziert wurden. Viele Kletterer hätten deshalb vor Erreichen des „wahren Gipfels“ angehalten.

Messner ist über Berg-Chronisten verärgert

Der deutsche Himalaya-Chronist Eberhard Jurgalski behauptet schon länger, dass Messner nie ganz oben auf dem Gipfel des 8091 Meter hohen Annapurna gestanden hätte. Messner erklärt dazu: „Der hat keine Ahnung. Der ist kein Experte. Der hat einfach den Berg verwechselt. Natürlich sind wir auf dem Gipfel angekommen.“ Jurgalskis Berechnungen spielten bei der Entscheidung der Guineness-Buch-Verantwortlichen nun auch eine Rolle.

An erster Stelle steht im Guinness-Buch nun Ed Viesturs, der im Jahr 2005 mit dem Annapurna seinen letzten fehlenden Achttausender schaffte. Unter Bergsteigern gilt als Nonplus-Ultra allerdings die Himalaya-Gipfelchroniken „The Himalayan Database“. Darin steht Messners Annapurna-Expedition, die er 1985 zusammen mit Hans Kammerlander unternahm, weiterhin.

Außergewöhnliche Bergsteiger-Karriere

Reinhold Messner – ein außergewöhnlicher Bergsteiger und eigenwilliger Mensch. Foto: TÜV Rheinland AG/Ronny Kiaulehn

Vor 41 Jahren – am 8. Mai 1978 – feierte Reinhold Messner seinen wahrscheinlich größten Triumph als Bergsteiger. Ohne künstlichen Sauerstoff hatten er und Peter Habeler den Gipfel des Mount Everest erreicht. Fast genau 25 Jahre nach der Erstbesteigung des mit 8848 Metern höchsten Berges der Welt durch Edmund Hillary und Tenzing Norgay setzten das Bergsteiger-Duo einen Meilenstein in der Geschichte des Klettersports.

„Es war kein Rekord. Es war eine Idee, die dann deckungsgleich umgesetzt wurde“, erzählt Messner im Rückblick. Erfahrene Alpinisten hatten dem Plan wenig Aussicht auf Erfolg eingeräumt. Ärzte warnten, ein Mensch könne in dieser Höhe nicht ohne künstlichen Sauerstoff überleben, ohne Schaden zu nehmen.

Auf dem Gipfel – ein Gefühl der Leere

Bergkameraden: Messner mit Peter Habeler (re.) nach der Erstbesteigung des Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff.  Foto: dpa

Am 8. Mai 1978 um 13 Uhr krochen Messner und Habeler die letzten Meter zum Gipfel. Sie hatten geschafft, was kaum jemand für möglich hielt. „Trotzdem war in mir kein Triumph, sondern eher ein Gefühl der Leere“, schreibt Habeler rückblickend in seinem Buch „Das Ziel ist der Gipfel“. Von Hochgefühl keine Spur. „Ich wollte hinunter, nur noch hinunter.“

Ähnlich erging es Messner. Vor allem Habeler hatten beim Aufstieg immer wieder Ängste und Zweifel geplagt. Er war wenige Monate zuvor Vater geworden.

Bergkameraden Messner und Habeler

In rauer Umgebung fühlt sich der Bergsteiger Messner wohl – hier im Jahr 1990. Foto: dpa

Messner und Habeler hatten Ende der 1960er Jahre begonnen, große Wände schnell und mit geringem Aufwand zu durchklettern. Sie prägten den Alpinstil – einer Variante des Höhenbergsteigens, bei der die gesamte Begehung ähnlich wie in den Alpen durchgeführt wird.

In neun Stunden durchstiegen sie 1974 die Eiger Nordwand – frühere Seilschaften biwakierten dort eine Nacht. Klassische Expeditionen erklommen die höchsten Berge damals mit vielen Trägern, Lagern und Fixseilen. Messner und Habeler starteten mit so wenig Ausrüstung wie möglich.

Erste Solobesteigung des Mount Everest

20. August 1980: Reinhold Messner hockt als erster Mensch ganz alleine auf dem Gipfel des Mount Everest. Foto: Reinhold Messner/dpa

So erreichte Messner 1978 als Erster allein den Nanga Parbat, zwei Jahre später – am 20 August 1980 – im Alleingang auch den Everest. Er war der Erste, der drei Achttausender in einem Jahr erklomm, und der Erste, der offiziell alle 14 Achttausender der Welt schaffte.

Die Alleinbegehung des Berges im Alpinstil gilt als größte bergsteigerische Leistung am Everest. Ohne Fremdhilfe, ohne vorher präparierte Route und in einem Zug vom Basislager zum Gipfel bewältigte der damals 36-jährige Messner die 3500 Höhenmeter bis zum Gipfel  auf 8849 Meter.

Für seine Solobesteigung wählte er die Nordroute, querte oberhalb des Nordsattels in die Norton Couloir, eine Steilschlucht in der Nordwand, die bis 150 Meter unter den Gipfel führt. Wahrscheinlich nahmen auch Edward Mallory und Edward F. Norton bei ihrem Aufstiegsversuch 1924 diese Route über den North Col, die Traverse und den Aufstieg der Great Couloir bis auf den Gipfel.

Allein am Berg

„Allein am Berg. Es gab keine Spur, kein Zelt, kein Fixseil. Ich war am Ende unendlich weit weg von der Sicherheit“, erinnert sich der heute 80-Jährige. „Ich hatte ganz oben immerzu Angst, dass meine Spur verweht, war ich doch beim Abstieg auf die Spur angewiesen – sonst hätte ich mich da oben verloren.“ Fünf Tage dauerte sein Alleingang hin und zurück. Mehr als 7000 Höhenmeter überwand er. „Das ist eine lange Zeit. Im Unterbewusstsein ist das wie ein Monat.“