Jahrelang hat sich Verkehrsminister Hermann mit der Bahn gestritten, jetzt kam die Einigung. Foto: dpa

Im Streit um einen für die Deutsche Bahn generösen Verkehrsvertrag holt sich das Land Baden-Württemberg Millionen zurück.

Stuttgart - Das baden-württembergische Verkehrsministerium hat den seit Jahren schwelenden Streit mit der DB-Regio über die angebliche „Überkompensation“ des von der Regierung von Erwin Teufel (CDU) 2003 geschlossenen großen Verkehrsvertrages beigelegt und vermeidet den Gang vor Gericht. Mit dem Verkehrsvertrag sind zwei Drittel aller Leistungen im Personenzugverkehr Baden-Württembergs bei der Deutschen Bahn, wie sie damals noch hieß, „bestellt“ worden, allerdings zu einem erhöhten Preis, wie Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) seit Jahren moniert. Denn mit dem alten Vertragswerk seien jährliche Kostensteigerungen von 1,5 Prozent gleich zweimal enthalten und „auch zweimal bezahlt“ worden, meint Hermann.

2012 stellte das Land die Zahlung diese Mehrkosten ein, eine ausstehende Summe von 135 Millionen Euro lief bis heute auf. Und was aus dieser „Schuld“ jetzt werden soll, das regelt die am Mittwochabend besiegelte Vereinbarung: Der Betrag wird geteilt, das heißt, das Land zahlt der Bahn 67,5 Millionen Euro, die wiederum verzichtet auf 67,5 Millionen Euro aus der Forderung. Außerdem wird sie zehn Millionen Euro für „besseres Zugmaterial“ bereit stellen, so werden alte Wagen (beispielsweise die sogenannten „Silberlinge“), durch moderne ersetzt. Weitere zehn Millionen werden quasi als Gutschein für die Bestellung „zusätzlicher Nahverkehrsleistungen“ gewährt. Außerdem wird die Bahn auf 20 Millionen Euro aufgelaufener Zinsen verzichten. „Wir haben für das Land Baden-Württemberg also insgesamt 107 Millionen Euro herausgeholt“, sagt Minister Hermann. Angesichts der Tatsache, dass verschiedene Wirtschaftsgutachter dem Land bescheinigten, der alte Vertrag mit der Bahn sei 700 Millionen Euro bis 1,25 Milliarden Euro zu teuer ausgefallen, klingt die „herausgeholte“ Summe bescheiden. „Aber ein fetter Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach“, sagt Hermann.

Auch die CDU begrüßt die Einigung

Die genannten maximalen Forderungen gegenüber der Bahn auch wirklich durchzusetzen, das wäre rechtlich schwierig geworden. Überdies habe er einen viele Jahre andauernden Rechtsstreit vermeiden wollen, ein warnendes Beispiel sei der Rechtsstreit mit dem Maut-Eintreiber Toll-Collect, der seit zehn Jahren andauere und den Bund schon fast 150 Millionen Euro gekostet habe. Überdies rechnet sich Minister Hermann seinen Deal noch auf andere Weise schöner, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Laut dem alten Verkehrsvertrag, der 2016 ausläuft, hatte das Land in den vergangenen 15 Jahren 11,70 Euro pro Zugkilometer – jährlich werden 40 Millionen abgespult – bezahlen müssen. Dank der Einführung eines „lebendigen Wettbewerbs“ und der Aufteilung des Landes in kleine Netze werde künftig für den Zugkilometer in den nächsten 13 Jahren nur noch die Hälfte bezahlt, sagt Hermann. „Da sparen wir über die Jahre hinweg eine Milliarde Euro, also hat das Land insgesamt mehr als 1,1 Milliarden Euro herausgeholt.“

Die DB Regio AG teilte zur Einigung mit, dass es ihr wichtig gewesen sei, den Weg frei zu machen für „eine erfolgreiche künftige Zusammenarbeit“. Auch die CDU begrüßte die Einigung, die Rückzahlung durch die Bahn von „zu viel abgerechneter Infrastrukturkosten“ habe auch sie gefordert. Allerdings bleibe die Einigung „weit hinter den Anforderungen zurück“, die Minister Hermann immer gestellt habe. Schärfer äußerte sich Jochen Haußmann, verkehrspolitischer Sprecher der FDP: Hermann sei ein „Meisterwerk in Sachen Darstellungskunst gelungen“, in Wahrheit handele es sich um eine Bauchlandung, einen neuen Verkehrsvertrag hätte der Minister schon zu Jahresanfang haben können.

Ein anderer Rechtsstreit geht munter weiter

Nicht ausgeschlossen ist, dass der Minister nach der Landtagswahl und vor der Bildung einer neuen Regierung den Zwist um den großen Verkehrsvertrag „vom Tisch“ haben wollte. Die Einigung auf „Eckpunkte“ mit der Bahn sei nach anderthalbjährigen Verhandlungen am 21. März erfolgt, also acht Tage nach der Landtagswahl. Unberührt von der Einigung geht der Rechtsstreit mit der DB-Regio um die Vergabe des Stuttgarter Netzes an zwei Mitbewerber der Bahn weiter, am 22. April ist der Termin am Oberlandesgericht Stuttgart.