Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt am offiziellen Baubeginn der Northvolt-Fabrik teil. Foto: dpa/Marcus Brandt

In Schleswig-Holstein entsteht eine Batteriefabrik, die jährlich eine Milliarde Fahrzeuge versorgen soll. Eine gute Nachricht, nicht nur für die Region. Doch bei der Produktion von Batteriezellen kommt es vor allem auf eine Sache an.

Deutschland will unabhängiger werden. Und Deutschland will auch, dass bis 2030 rund 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Damit die Verkehrswende gelingt, entsteht in Heide in Schleswig-Holstein eine neue Gigafactory. Jährlich eine Million Elektrofahrzeuge soll die Fabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt ab 2026 mit Batteriezellen versorgen. Eine gute Nachricht – darüber sind sich die Politiker am Tag des Spatenstichs einig. Doch gerade der Abbau des Rohstoffs Lithium, der in den Batterien steckt, wird von Umweltschützern häufig kritisiert.

3000 Arbeitsplätze in Heide

„Deutschland war, ist und bleibt ein starkes Industrieland“, sagte Scholz, der am Montag beim Festakt vor Ort war. „Und die Herstellung guter Autos bleibt auch über den Verbrennermotor hinaus Rückgrat unserer Industrie.“ Dafür brauche es Batteriezellen aus deutscher Herstellung. Für Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist es ein Tag der großen Freude. 3000 Arbeitsplätze entstehen mit der Northvolt-Gigafactory, fast die gesamte Energie für die Fabrik soll aus erneuerbaren Energien kommen. Das Ganze ist Bund und Land knapp eine Milliarde Euro Förderung wert.

Warum also geraten Batterien von E-Autos trotz ihrer Bedeutung für die Verkehrswende immer wieder in die Kritik von Umweltschützern? In Batteriezellen ist unter anderem Lithium verbaut, ein silberweiches Leichtmetall, das aufgrund seines hohen Preises auch „weißes Gold“ genannt wird. Der Rohstoff lässt sich auf drei Wegen gewinnen: Im Gestein, aus unterirdischen Salzseen und Geothermie. Australien ist mit seinem Tagebau der weltweit größte Lithiumexporteur – auch Northvolt bezieht sein Lithium von dort. Die Kritik der Umweltschützer: Die Lithiumgewinnung gefährde die Wasserversorgung und der Tagebau zerstöre Landschaften.

Landwirte in Südamerika verlieren ihre Lebensgrundlage

Besonders kritisch gesehen wird das Vorgehen in Chile, Argentinien und Bolivien. Unterirdische salzhaltige Sole, eine Salz-Wasser-Lösung, wird in Becken gepumpt, wo sie in der Sonne verdunstet. Aus der Sole wird anschließend das Lithiumcarbonat gefiltert. Problematisch daran: Durch das Abpumpen sinkt der Grundwasserspiegel und den Menschen vor Ort fehlt Wasser für ihre Landwirtschaft. „Jede Art des Abbaus hat ihre eigenen Probleme und muss gesondert betrachtet werden“, sagt Cecilia Mattea. Sie ist Expertin für Batterien und Versorgungsketten bei „Transport and Environment“, eine Dachorganisation von nichtstaatlichen europäischen Organisationen, die sich für einen nachhaltigen Verkehr einsetzen. Nachdem der Abbau jahrelang kaum reguliert worden sei, erhalte das Thema jetzt die nötige Aufmerksamkeit, weil die Rohstoffe für die Energiewende gebraucht würden. Die EU-Batterieverordnung lege beispielsweise Recycling-Ziele fest und verpflichte Hersteller dazu, Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen.

Batterien von E-Autos, die ohne Lithium auskommen, gibt es derzeit noch nicht. „Die vielversprechendste Lösung sind kleinere Autos und die Erreichung der Kreislaufwirtschaft“, sagt Mattea. Recyceltes Material, so Analysen, könnte im Jahr 2035 bis zu 30 Prozent des Bedarfs an Lithium, Nickel und Kobalt in der Batteriezellenproduktion ausmachen; dieser Anteil könnte sich bis 2040 verdoppeln. Was die Kreisläufe im Batteriebereich derzeit bremst: Zirkuläre Infrastrukturen sind teuer und Technologien zum einen noch nicht ausreichend ausgereift, zum anderen sehr energieintensiv. Außerdem fehlt es noch an ausreichend Batterieabfällen.

Deutschland als wichtigste Region für das Recyceln von Batterien

Doch schon jetzt ist Deutschland eine der wichtigsten Regionen für das Recycling von Batterien in Europa und verfügt über 34 Prozent der europäischen Recyclingkapazitäten in der Vorbehandlungsstufe und 47 Prozent in der stofflichen Verwertung.

Und es entstehen weitere Recycling-Anlagen – europaweit, aber auch in Deutschland. „Es ist wichtig Recycling-Fabriken in der EU zu halten und zu verhindern, dass alle nach China abwandern“, sagt Mattea. Nur wenn die Rohstoffe innerhalb der EU bleiben, könne ein Kreislaufwirtschaftssystem erreicht werden.

Batterieproduktion von Mercedes Benz

Lithium
Mercedes Benz bezieht Lithium über Sub-Lieferanten hauptsächlich aus Chile und Australien. Der baden-württembergische Autohersteller setzt sich in einer Partnerschaft mit anderen Unternehmen wie BMW und Volkswagen, für einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen, wie Lithium, im chilenischen Salar de Atacama ein. Konkret werden beispielsweise Wassermessstationen wiederaufgebaut oder neue Bewässerungstechnologien für den nachhaltigen Anbau von Mais durch indigene Gemeinschaften untersucht. Im Sommer wird zudem eine Recyclingfabrik in Kuppenheim in Betrieb gehen, von der sich das Unternehmen eine Recyclingquote von 96 Prozent verspricht.

Menschenrecht
Ein globaler Zusammenschluss führender Klima-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, Lead the Charge, hat in einem Bericht jedoch auf große Lücken in den Menschenrechtspraktiken der Automobilhersteller hingewiesen, insbesondere bei den Rechten indigener Völker. Auch Mercedes hätte keine Fortschritte gemacht. Das Leaderboard analysiert die öffentlich zugänglichen Berichte von 18 der weltweit führenden Automobilhersteller. Es bewertet deren Bemühungen, Emissionen, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen aus ihren Lieferketten zu eliminieren.