Die strahlenden Sieger aus Stuttgart mit Fans: das Jugendzentrum Halev Foto:  

Große Freude in der jüdischen Gemeinde in Stuttgart: die Jugendgruppe Halev hat den „Jewrovison“ gewonnen, den größten jüdischen Gesangs- und Tanzwettbewerb in Deutschland. Nächstes Jahr könnte er erstmals in Stuttgart stattfinden.

Jewrovison? Nie gehört. So dürfte es vielen gehen. Erstaunlich, denn die „Jewrovision“ ist der größte jüdische Gesangs- und Tanzwettbewerb in Europa. Jüdische Kinder und Jugendliche aus 13 Jugendgruppen in Deutschland kamen jetzt in Hannover zur 21. Ausgabe der „Jewro“ zusammen, um sich wie beim Eurovision Song Contest zu messen. Darunter auch das Team des Jugendzentrums Halev Stuttgart.

Ein halbes Jahr lang hatten sich die knapp 30 Kinder und Jugendlichen auf ihren großen Auftritt am vergangenen Sonntagabend vorbereitet – um am Ende tatsächlich als strahlender Sieger auf der Bühne zu stehen. Das erste Mal überhaupt. In den 20 Jahren davor hatten es die Stuttgarter nur ein einziges Mal unter die Top 5 geschafft. „Das große Ziel war immer, einmal zu den erste Drei zu gehören“, sagt Igal Shamailov. Dass es jetzt sogar Platz eins wurde, und das in beiden Kategorien – bester Auftritt und bestes Video –, lässt dem Jugendleiter das Herz übergehen. Und das buchstäblich, denn „Halev“ ist das hebräische Wort für „Herz“. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir das geschafft haben“, sagt Shamailov. Zusammen mit Boris Karasik leitet er das Stuttgarter Jugendzentrum, das im jüdischen Gemeindezentrum in der Hospitalstraße untergebracht ist. Immer sonntags kommen dort Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren zusammen, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Die Musik und der Tanz spielen dabei eine wichtige Rolle.

Ein Wettbewerb mit einer klaren Botschaft

Das hat sich bei der Jewrovision jetzt ausgezahlt. Die Jungen und Mädchen zwischen 10 und 19 Jahren legten einen energiegeladenen und choreografisch anspruchsvollen Auftritt hin – zunächst A-cappella, dann mit einem Cover des „Black-Eyed-Peas“-Cover „Shut up“, den sie in „Shine up“ umtexteten, passend zum Motto des Wettbewerbs „Time to Shine“ („Zeit sich zu beweisen“). Der vom Zentralrat der Juden in Deutschland ausgerichtete Wettbewerb hatte nämlich eine klare Botschaft. Sie lautet: „Wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir leben unsere Jüdischkeit. Wir treten Antisemiten, Verschwörungsideologen und radikalen Demokratiefeinden entschlossen entgegen.“ Viele der Jugendlichen hätten nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster: „Die Jewrovision ist auch ein kraftvolles Zeichen an die Jugendlichen, dass sie nicht alleine sind.“

Der Sieger-Auftritt von Halev Stuttgart in Hannover Foto: Jewrovision

Das waren sie nicht. Rund 1200 Beteiligte wurden bei der Veranstaltung in Hannover gezählt. Ein großes, emotionales Gemeinschaftserlebnis – mit Happy End für Halev Stuttgart. Als von den Jurymitgliedern reihenweise 12 oder 11 Punkte nach Stuttgart vergeben wurden, gab’s in der Gruppe kein Halten mehr.

„Ein Traum ist wahr geworden“, sagt Shamailov noch immer aufgewühlt. „Das ist für unsere Gemeinde ein ganz großes Ding – und die beste Werbung für das Jugendzentrum.“ Schon nach ihrem Auftritt hätten sich die Jugendlichen in den Armen gelegen und geweint – „vor Freude, weil alles super geklappt hat, aus Traurigkeit, weil jetzt alles vorbei war.“

Von Stuttgart aus verfolgten Lars Neuberger, Vorstandsreferent der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, und etliche andere per Livestream das Geschehen – und waren hellauf begeistert. Zumal die Hoffnung besteht, dass der nächste Jewrovision in Stuttgart ausgetragen wird. Die Entscheidung darüber liegt beim Zentralrat. An diesem Schabbat soll der Erfolg in der Stuttgarter Gemeinde ausgiebig gefeiert werden.

Emotionen weckte auch das preisgekrönte Video von Halev Stuttgart. Es handelt von zwei besten Freunden, einem jungen Juden und einem jungen Muslim, beide VfB-Fans. Sie spielen zusammen und stellen zusammen Dinge an – bis die Ereignisse vom 7. Oktober 2023 sie auseinanderbringen. Jedoch nicht für lange. Nach kurzer Zeit stehen sie wieder gemeinsam auf dem Fußballplatz. Das Video endet mit dem Satz: „Danke, dass Du mein Freund bist!“ Ein starkes Signal der Versöhnung. Auch wenn der junge Muslim im Video von einem Juden gespielt wird, soll es zeigen: Freundschaft zwischen Juden und Palästinensern ist möglich. „Wir alle sehnen uns nach Frieden“, sagt Shamailov.