Oktober 2014: Türkische Panzer an der Grenze zur syrischen Stadt Kobane Foto: dpa

Die Terrormiliz Islamischer Staat nimmt angeblich westliche Ziele in der Türke ins Visier. Der türkische Geheimdienst sieht auch Botschaften in Ankara gefährdet. Die Türkei woll sich deshalb stärker gegen den IS engagieren.

Ankara/Istanbul - Aus einem der bisher wichtigsten Siege über die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien könnte eine gefährliche Bedrohung für den Westen entstehen. Der Geheimdienst der Türkei hat laut Medienberichten die Polizeibehörden des syrischen Nachbarstaates vor IS-Truppen gewarnt, die sich nach ihrer Vertreibung aus der nordsyrischen Stadt Kobane in die Türkei abgesetzt haben sollen. Westliche Einrichtungen, darunter Botschaften in Ankara, könnten nun ins Visier des IS geraten, erklärte der Geheimdienst MIT demnach.

Die türkische Grenzregion zu Syrien ist bereits seit langem ein Tummelplatz für radikalislamische Kämpfer, die sich im syrischen Bürgerkrieg extremistischen Milizen wie dem IS anschließen und türkisches Territorium als Rückzugsraum nutzen. Nach ihrer Niederlage in Kobane im Januar seien zusätzliche IS-Kämpfer über die Grenze gekommen und hielten sich seitdem in Verstecken der Organisation in der Türkei verborgen, berichtete der Geheimdienst. Unter ihnen seien Führungskader, die für die Vorbereitung von Anschlägen zuständig seien. Rund 3000 weitere IS-Kämpfer warteten auf der syrischen Seite der Grenze darauf, ebenfalls in die Türkei zu kommen.

Botschaften und Konsulate in Ankara und Istanbul sollen bereits vom IS ausgekundschaftet worden sein, heißt es unter Berufung auf den MIT. Ob auch die in der Nähe der Grenze zwischen Türkei und Syrien stationierten deutschen, spanischen und US-amerikanischen Flugabwehrbatterien des Typs Patriots zu den potenziellen Anschlagzielen gehören, ging aus den Berichten nicht hervor. Aus Diplomatenkreisen in Ankara verlautete, von einer Warnung der türkischen Behörden sei nichts bekannt.

IS-Kämpfer könnten sich auch aus syrische Flüchtlinge ausgeben und versuchen, nach Europa zu kommen, um dort Anschläge zu verüben, heißt es in dem Bericht des Geheimdienstes. Der IS hatte seine Belagerung von Kobane nach rund vier Monaten aufgegeben; Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten spielten dabei eine wesentliche Rolle.

Nicht zuletzt aus Angst vor IS-Anschlägen hat die Regierung in Ankara bisher eine aktive Beteiligung an der westlich-arabischen Militärallianz gegen den IS vermieden. Westliche Staaten werfen der Türkei vor, islamistische Gruppen im Grenzgebiet zu lange toleriert zu haben, in der Hoffnung, dass diese Milizen den Sturz des türkischen Erzfeindes und syrischen Präsidenten Baschar al-Assad beschleunigen. Ankara weist dies zurück.

Nun steht die Türkei kurz davor, sich stärker im Bündnis gegen den IS zu engagieren. Wie das türkische Außenamt diese Woche mitteilte, soll bald eine Vereinbarung zwischen der Türkei und den USA zur gemeinsamen Ausbildung und Ausrüstung neuer syrischer Rebellenverbände unterzeichnet werden. Das Training der rund 2000 Kämpfer soll bereits im März beginnen. Die Rebelleneinheiten sollen nach dem Willen der Türkei in Syrien vor allem gegen Assads Truppen kämpfen, während die USA einen Einsatz gegen den IS favorisieren.

Die Warnungen vor IS-Anschlägen wurden kurz vor der Unterzeichnung des Abkommens bekannt. Die Angst: Die Dschihadisten könnten die Türkei wegen der engeren Zusammenarbeit mit den USA ab sofort als Zielgebiet von Anschlägen betrachten. Schon 2014 hatten türkische Medien Vertreter des IS mit den Worten zitiert, das Nato-Mitglied Türkei gelte als legitimes Ziel.