Bei der Party Gaydelight am Donnerstagabend im Wasewirt-Zelt stehen und tanzen alle auf den Bänken. Foto: /Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg

So heiß, laut und heftig feiert das bunte Stuttgart: Gaydelight ist der Party-Knaller des Wasens. Um Spaß allein sollte es der Community nicht gehen, findet Marcel Schmitz, der Mister Gay Germany: „Wir müssen verhindern, dass die AfD immer noch stärker wird.“

Wahnsinn! Der Hit von Wolfgang Petry, den die Partyband Die Grafenberger im ausverkauften Wasenwirt-Zelt vor 4000 tobenden Mitsängerinnen und Mitsängern raushaut, passt perfekt in diese verrückte Nacht. Fast alles tanzt auf den Bänken, ohne lange Anlaufzeit. Auch DJ Michael Leupold von SWR 3 weiß, auf was sein Publikum scharf ist, das zum Ausflippen wild entschlossen ist – auf so alles zwischen Schlager, 90er Hits, Ballermann und Rock.

Heiß, heißer, Gaydelight! So eine irre Stimmung erlebt selbst das Volksfest, das von Jahr zu Jahr immer besser im Partymachen wird, nur selten.

Einst war die Party Gaydelight umstritten, heute ist sie Kult

Im nächsten Jahr feiert Gaydelight seinen 25. Geburtstag. Anfangs war diese Party umstritten, stieß auf heftige Widerstände, heute ist sie Kult nicht nur bei queeren Gästen. Partygründer Theo Pagliarucci, der in der Schaustellerwelt groß geworden ist, hat eine besondere Beziehung zu den Weebers, zu den Betreibern des Wasenwirt-Zelts.

Mit einer Tochter der Familie Weeber war er verheiratet, hat mit ihr einen gemeinsamen Sohn, der heute 29 Jahre alt ist. Als sich der Schwiegersohn von Max Rudi Weeber in einen Mann verliebte, sich geoutet hat, hielt er sich für eine gewisse Zeit vom Wasenwirt fern. Doch die Familie Weeber holte ihn als Event-Manager zurück.

„Wir mussten lange dafür kämpfen“

Vor 24 Jahren hat Theo Pagliarucci die längst explodierende Partyreihe Gaydelight zum ersten Mal beim Wasenwirt veranstaltet, nach dem Vorbild des Gaysundays von der Münchner Wiesn. „Wir mussten lange dafür kämpfen“, sagt Clublegende und „Schwulenmutti“ Laura Halding-Hoppenheit an diesem Abend auf der Bühne und ruft dazu auf, „politisch zu bleiben“. Feiern sei nicht alles. Die queere Community müsse „sichtbar“ sein und weiterhin „für die demokratischen Werte“ streiten.

Auch wenn ein Partyhit nach dem anderen gespielt wird, ist die Politik ein Thema bei den Promigästen. Marcel Schmitz, der aus Köln angereiste Mister Gay Germany, ist in großer Sorge, weil die Rechtspopulisten immer stärker werden. „Wir müssen uns gemeinsam gegen die AfD stellen“, sagt er unserer Redaktion. Die rechtsextreme Partei könne nicht mehr verharmlost werden, findet er. Man müsse jetzt handeln! Denn die AfD werde, sobald sie dazu politisch in der Lage sei, die Rechte von queeren Menschen abbauen. All das, für das man gekämpft habe, sei in Gefahr, fürchtet Schmitz.

„Unglaublich, was hier los ist“

Alex Schäfer aus Frankfurt, der Prince Charming von 2020, hält es für „surreal“, wie die AfD erstarkt ist. Der queere Influencer, in der Community bekannt aus der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Gay-Dating-Show von RTL, fragt: Habe das Land nichts aus seiner Vergangenheit gelernt? Es ist sein erster Wasenbesuch. „Unglaublich, was hier los ist“, schwärmt er, „das Publikum ist so wunderbar vielfältig.“

CSD-Sprecher Detlef Raasch bedankt sich auf der Bühne beim Wasenwirt für eine Spende in Höhe von 5000 Euro. Das Geld wie auch der Erlös der Tombola geht an die Interessengemeinschaft, die sich aktuell gegen die zunehmende Gewalt wehrt, die queere Menschen trifft. Dies unterscheide Gaydelight von den anderen Gaypartys auf dem Wasen, wo es „nur ums Abzocken“ gehe, wie er heftig protestiert.

„Das Mutterhaus der Community öffnet wieder“

Auch Laura Halding-Hoppenheit spricht sich heftig für das Original und die Tradition aus. „Erst wollte uns kein Zelt, jetzt wollen uns alle“, sagt sie in ihrer Rede. Den meisten Applaus bekommt sie für ihre Ankündigung, den Kings Club wieder zu öffnen, den sie als „Mutterhaus der Community“ bezeichnet. Das Queer Harem aus Stuttgart führt eine Drag-Show auf, und die Singer-Songwriterin Selda spielt unter anderem „Genie in a Bottle“.

Brigitte Lösch, die frühere Landtagsabgeordnete der Grünen, tanzt immer wieder wild mit, verteilt aber auch Flugblätter, die zur Kundgebung am 14. Oktober auf dem Schlossplatz aufrufen, bei der man sich „gemeinsam gegen Rechts“ und für „eine bessere Demokratie“ positionieren will. Bei der Gaydelight ist die Stimmung bestens – doch es geht bei allem Spaß auch vielen darum, klare Signale gegen Rechts auszusenden.