Blumenbänder durchziehen das Gelände. Dazwischen wurde die Allgäu-typische Landschaft modelliert. Foto: Landesgartenschau Wangen im Allgäu/oh

Die Landesgartenschau nutzt in der Stadt Wangen eine alte Textilfabrik, um sie zu neuem Leben zu erwecken. Außerdem setzt man auf die Wiederbelebung eines hübschen Sympathieträgers aus den 1950er Jahren.

Über die neu gebaute Bahnbrücke schiebt sich ein Eurocity in Richtung österreichische Grenze. Darunter rekelt sich die Argen in ihrem neuen Flussbett. Auf 3,5 Kilometern ist das Flüsschen renaturiert worden. Rund herum wird überall noch kräftig gearbeitet. Bagger fahren Erde herum, Gärtner verteilen den Frühlingsflor in den Beeten, Wege werden angelegt. Und doch lässt Edith Heppeler keinen Zweifel: „Wir werden rechtzeitig fertig.“

Zwei Landesgartenschauen hat die von der baden-württembergischen Landesgartenschaugesellschaft GrünBW entsendete Co-Geschäftsführerin schon verantwortet. Dabei hat sie sich eine gewisse Gelassenheit zugelegt. Auch in Wangen werde es klappen. Am 26. April soll die Landesgartenschau öffnen. „Kunter, bunter, munter“ lautet für 173 Tage dort das Motto.

Fast eine Bundesgartenschau

Die kleine Stadt im Allgäu hat sich viel vorgenommen. Mit einer Fläche von 40 Hektar übertrifft Wangen die Überlinger Schau vor drei Jahren (11,5 Hektar) bei weitem und liegt exakt auf dem Niveau der Heilbronner Bundesgartenschau von 2019. Durch die Kombination ganz unterschiedlicher Fördertöpfe ist auch die Summe der Investitionen gewaltig. 89 Millionen Euro haben Bund, Land und Stadt auf dem Gelände verbaut – unter anderem für fünf neue Brücken – und damit auch Privatinvestitionen von 250 Millionen Euro angestoßen. Auch das erreicht fast Heilbronner Verhältnisse. „Die Landesgartenschau entwickelt sich immer mehr zum Städtebauprojekt“, sagt Reiner Bierig vom Verband für Garten-, Landschafts- und Sportstättenbau.

Genug Blumen wird es dennoch zu sehen geben. In Blütenbändern, die alte Stoffmuster imitieren, ziehen sie sich durch das Gelände, das sich zu einem guten Teil auf der Industriebrache einer alten Textilfabrik befindet. Einst war die Erba (Erlangen-Bamberg) eine Welt für sich, ein kleiner Kosmos außerhalb der von trutzigen Tortürmen abgegrenzten Wangener Altstadt mit eigenem Laden, Altenheim und Kindergarten.

1992 ging die Spinnerei im Zuge des Niedergangs der Textilindustrie Pleite. Jahrelang flatterten nur noch Fledermäuse durch die Industrieruinen. Mit der Gartenschau entsteht dort nun ein neuer Stadtteil. Auch Heike Seeberger ist in ihrem Garten kräftig am Werkeln. In einer selbst angelegten Kräuterschnecke hat sie gerade Rosmarin eingepflanzt. Ihr kleiner Schrebergarten zwischen Mühlkanal und Argen ist ein Ausstellungsstück, und sie selbst ist es auch. Bis vor kurzem lebte und arbeitete die 68-Jährige noch als Heilpraktikerin in Marbach am Neckar. Jetzt wohnt sie in einem der alten Arbeiterhäuser auf dem ehemaligen Erba-Gelände in einem generationenübergreifenden Wohnprojekt.

Auf dem Schornstein nisten Störche

Rund um den 25 Meter hohen Backsteinschornstein, auf dem jetzt ein Storchenpaar brütet, lebten früher vor allem Gastarbeiter aus der Türkei und Portugal. Auf dem Schrebergartengelände haben viele noch eine Parzelle. Links neben Heike Seeberger hat ein Portugiese Obstbäume gepflanzt, rechts neben ihr muss der türkische Pächter noch viele Wackersteine wegräumen, die bei der Neueinteilung des Gärten liegen geblieben sind.

Revival für den Milchpilz

Auch tierische Einwohner wird die Gartenschau haben. Unterhalb eines 30 Meter hohen hölzernen Aussichtsturms, der ein wenig wie der Uefa-Cup aussieht und den die Stuttgarter Architekturprofessoren Achim Menges und Jan Knippers geplant haben, weidet Allgäuer Fleckvieh. Auch ein anderes Allgäuer Kultobjekt erlebt mit der Gartenschau eine fröhliche Wiederkehr. Die Firma Waldner, längst auf Laboreinrichtungen spezialisiert, hat sich ihrer einstigen Milchpilze erinnert.

Mit den vier Meter hohen Verkaufskiosken in Form von Fliegenpilzen sollte in den 1950er Jahren der Milchverkauf angekurbelt werden. Zuletzt standen nur noch in Lindau, Regensburg und natürlich in Wangen Einzelexemplare. Auf der Gartenschau sind sie nun Farbtupfer zwischen Wasserspielplatz und Aussichtsturm. Und plötzlich gibt es sogar von außerhalb wieder Interesse an den Nostalgieprodukten. Ein „Pilzhotel“ und zwei Freibäder im Westerwald und in Nordrhein-Westfalen hätten bereits angefragt, berichtet Herbert Scherer, Leiter der Entwicklungsabteilung bei Waldner. Ausgehend von der Landesgartenschau könnten bald überall wieder Milch-, Pommes- und Süßigkeitenpilze wachsen.