Beim Blindenfußball tragen die Feldspieler Augenklappenbinden. Foto: imago sportfotodienst

Der Blindenfußballer Mulgheta Russom erzählt in Kernen, warum es ohne Kommunikation nicht geht.

Kernen - Der Mann hatte großes Pech. Vor 17 Jahren kostete ihn ein Autounfall beinahe das Leben, 14 Stunden lang wurde er operiert, drei Mal wiederbelebt. Dann erwischte ihn noch eine schwere Infektion im Krankenhaus, die ihn das Augenlicht kostete. Der Mann ist Mulgheta Russom, Abwehrchef des Blindenfußball-Teams des MTV Stuttgart. Heute ist er glücklich.

Bislang hat er 45 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft der Blindenfußballer bestritten und 13 Tore erzielt - damit ist er amtierender Rekordschütze. Der Auftritt des Fußballers im Aktuellen Sportstudio des ZDF vor wenigen Wochen, während welchem er beim Torwandschießen einen Treffer erzielte, begeisterte das Publikum.

Schlafmasken über den Augen

Am Mittwochabend war Russom Gast im Weingut Kern beim 42. Impuls-Talk von Marcel Baars Agentur „KommunikationsZeit“. „Es ist für uns unvorstellbar, wie man sich auf dem Spielfeld ohne zu etwas sehen orientieren kann“, sagte der Gastgeber. Seine Fähigkeiten seien andere, erzählte Mulgheta Russom den 20 Gesprächsteilnehmern. Sie waren gebeten worden, Schlafmasken über ihre Augen zu ziehen, während sie den Ausführungen des Blindenfußballers lauschten. Die spätere Erfahrung der Zuschauer war einheitlich: Man konzentriere sich mehr auf das, was gesagt wird und ist weniger abgelenkt.

Der 37-jährige Eritreer war im Jahr 1984 mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Bei einem Modehändler hatte er gerade seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert, als er im Alter von 20 Jahren den Unfall mit schwerwiegenden Folgen zu ertragen hatte. Und trotzdem lies er sich nicht hängen. Er habe wieder zurück ins Leben gewollt, Sehnsucht nach Sport und Bewegung gehabt. Der Sport sowie der Humor hätten ihm letztlich geholfen. „Woher ich diese Energie habe? Das weiß ich auch nicht“, sagte er.

Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung

Amüsant berichtete er von den zahlreichen Versuchen wohlmeinender Psychologen, ihn mit seinem Schicksal zu versöhnen. Mulgheta Russom schickte sie allesamt wieder weg. Seine Mutter brachte ihm „ordentliches Essen“ ins Krankenhaus und die Kämpernatur lernte nach und nach, „dass ich alles kann – außer Auto fahren“.

Kommunikation sei das A und O, erklärte er. „Bei der Arbeit, in Beziehungen, mit Kindern und natürlich im Sport.“ Er sei noch mehr als andere Menschen auf Kommunikation angewiesen.

Mulgheta Russom erzählte, wie er nach seinem Unfall die sportliche Herausforderung suchte. Seine erste Aktion sei es gewesen, am Stuttgarter Zeitungs-Lauf teilzunehmen. „Ich hatte eine Woche lang Muskelkater.“ Er versuchte sich im Fallschirm-Springen, im Wasserski fahren, im Weitsprung und im Speerwerfen – irgendwann kam er zum Blindenfußball.

Auch im zivilen Leben hat er seinen Platz zurück erkämpft und eine Ausbildung zum Fitness-Trainer abgeschlossen. Und weil er seine anderen Sinne so geschärft habe, merke er da gleich, wenn jemand bei den Übungen schummle.

In der anschließenden Gesprächsrunde wurde es dann fast philosophisch. Eine Teilnehmerin fragt, wie man sich ein Bild vom Gegenüber mache, wenn man doch nichts sehe. Der Fußballer hat auf alles eine Antwort. Abschließend sagt Mulgheta Russom, dass er froh sei, nicht von Geburt an blind gewesen zu sein. „Ich weiß, wie Menschen und Tiere und die Natur aussehen.“

Der nächste Impuls-Talk von Marcel Baars findet am Mittwoch, 13. Juli, um 18.30 Uhr, bei Wilhelm Kern Susanne Kränzle statt. Die Leiterin des Hospiz Esslingen referiert über das Thema „Warum warten, bis es zu spät ist?“. Anmeldung unter info@kommunikations-zeit.de