Das Team der Philippinen feiert den Titel bei den Südostasien-Meisterschaften. Foto: IMAGO/Xinhua/IMAGO/ROUELLE UMALI

Noch nie hatten die Philippinen – ob Frauen oder Männer – bei einer Fußball-WM mitgespielt. An diesem Freitag schreiben die „Filipinas“ Geschichte.

Es werden Momente großen Stolzes: Am Freitagnachmittag lokaler Zeit ertönt die Nationalhymne der Philippinen im Forsyth Barr Stadium im neuseeländischen Dunedin. Das erste Gruppenspiel der Südostasiatinnen gegen die Schweiz markiert Historisches: Erstmals in der Geschichte des 114-Millionen-Einwohnerlandes haben sich die Philippinen für eine Fußball-WM qualifiziert. Den Frauen ist damit ein Kunststück gelungen, von dem die finanziell wesentlich bessergestellten männlichen Fußballer bisher nur träumen können.

Bis vor Kurzem waren die „Filipinas“ – wie sich die weibliche Nationalauswahl nennt – nur unter Fachleuten bekannt. Aber seit klar ist, dass sie bei der Fifa-WM der Frauen auflaufen würden, sind sie eine nationale Sensation. „Das beste Jahr in der Geschichte unserer Frauennationalmannschaft wird immer besser!“, schwärmte der führende TV-Sender CNN Philippines schon im vergangenen Sommer.

Denn wenige Monate nach der im Januar 2022 gelungenen WM-Qualifikation gelang der Truppe noch ein weiterer Erfolg: Mit einem 3:0-Sieg im Finale gegen die Favoritinnen aus Thailand gewannen die Philippinen die Südostasien-Meisterschaft. „2022 ist ein historisches Jahr für die ‚Filipinas’ gewesen“, resümierte der TV-Sender und sieht in der Truppe daher eine „Inspiration für künftige Generationen.“

Das Lob kommt sogar von ganz oben. Ferdinand Marcos Junior, Präsident der Philippinen, hat die Frauen in seinen Amtssitz in der Hauptstadt Manila eingeladen und war vor laufenden Kameras voll des Lobes: „Es sind die Jahre der gebrachten Opfer und harten Trainings. Ich kann nur erahnen, wie hart es gewesen ist, während der Pandemie zu trainieren. Sport ist ja viel mehr, als nur Spiele zu spielen“, sagte Marcos Junior, der die Erfolge seiner Landsfrauen ganz offenbar auch für seine eigene Popularität nutzen wollte: „Ihr macht uns stolz – auf euch, und darauf, Filipinos zu sein.“

Die Männer haben noch Probleme

Anlass zu Nationalstolz hat Fußball – auch auf den Philippinen eine der beliebtesten Sportarten – dem Land bisher wenig gegeben. Seit gut zehn Jahren versucht die männliche Nationalmannschaft, eine regionale Macht zu werden. Dazu setzt der Verband vor allem auf die große Population der Auslandsfilipinos, die als Kinder philippinischer Arbeitsmigranten in fußballaffinen Ländern wie Spanien, der Schweiz, Deutschland oder Großbritannien aufwachsen. Das Niveau der männlichen Auswahl hat sich seither auch enorm verbessert. Aber eine WM-Qualifikation scheint bisher fern.

Die Frauen haben damit mehr Erfolg: Auch sie verfolgen mittlerweile die Strategie der männlichen Kollegen, scouten dazu vor allem nach Spielerinnen aus den USA, die dort als Töchter eines philippinischen Elternteils groß geworden sind. Denn wer in dieser Hochburg des Frauenfußballs eine Ausbildung durchläuft, sollte den philippinischen Fußball auch dann noch voranbringen, wenn es für eine Nominierung zur Nationalmannschaft der USA nicht reicht.

Brutal und kämpferisch

Der Kader ist mittlerweile gespickt von Spielerinnen mit US-amerikanischem Hintergrund. Dazu gehören Torhüterin Olivia Davies-McDaniel, Abwehrchefin Hali Long, und die Torjägerinnen Sarina Bolden und Tahnai Annis. Das erste WM-Spiel der Philippinen steigt an diesem Freitag (7 Uhr MESZ/ZDF) gegen die Schweiz. Zudem treffen sie noch auf die Gastgeberinnen aus Australien sowie Norwegen – und sind in allen drei Partien krasse Außenseiterinnen.

Wobei sie daheim eben zu Stars geworden sind. Und mit dem neuen Ruhm ist auch ein neuer Name gekommen. Bisher nannte sich die Auswahl nicht die „Filipinas“, sondern die „Malditas.“ Auf Filipino steht das für „brutal“ oder „kämpferisch.“ Auf Spanisch, wo der Begriff herkommt, bedeutet er „verdammt“ oder „höllisch.“ Und das hält man nicht mehr für angemessen. Denn einerseits sind die Philippinen ein zutiefst katholisches Land. Andererseits wird bei der WM die ganze Welt zuschauen.

„Hoffentlich sind wir uns alle einig, dass wir nicht wollen, dass unsere Nationalmannschaft mit einem Spitznamen zur WM fährt, der auf Spanisch oder Portugiesisch etwas Schlechtes bedeutet“, erklärte Teammanager Jeff Cheng. „Hoffentlich will kein philippinischer Fußballfan unsere Heldinnen mit einem schlechten Namen bezeichnen.“ Flavie Villanueva, katholischer Pastor in Manila, will da nicht widersprechen. Über den nun abgeschafften Namen sagt Villanueva: „Er ist schwierig.“

Der große Medienboom

Die Spielerinnen selbst vermeiden den Begriff seither, loben stattdessen den Medienboom, der rund um sie herum stattfindet. Mittelfeldspielerin Sara Eggesvik erklärte zuletzt in einem TV-Interview: „Es ist absolut verrückt. Die Aufmerksamkeit, die wir jetzt für Fußball hier in den Philippinen kriegen, ist wirklich toll. Ich hoffe, das hilft dabei, den Sport hier noch größer zu machen.“ Eggesvik gehört zu den vielen Spielerinnen, die nicht in den Philippinen aufgewachsen sind. Sie kommt aus Norwegen, wo Frauenfußball seit Jahrzehnten populär ist.

Für eine erfolgreiche Fußballkarriere, erklärte die mittlerweile 26-jährige im vergangenen Jahr nach dem Sieg bei der Ostasienmeisterschaft, wäre sie bereit, ihr Medizinstudium ruhen zu lassen. Früher hätte man Sara Eggesvik für so eine beherzte Einstellung wohl als „maldita“ bezeichnet. Aber für solche Bezeichnungen ist sie heute offenbar zu staatstragend.