Christoph Biermeier an seinem „alten“ Arbeitsplatz in Schwäbisch Hall Foto: Freilichtspiele Hall

Der Intendant Christoph Biermeier und das Globe-Theater sind am Ende dieser Saison Geschichte. Die Zahlen, die Biermeier hinterlässt, lesen sich eindrucksvoll. Doch war es ein guter Abgang?

Schwäbisch Hall - „Ein guter Abgang ziert die Übung“, mit diesem Schiller-Zitat hat sich der Intendant der Freilichtspiele Hall, Christoph Biermeier, vor der Eröffnungspremiere im Juni verabschiedet. Ein guter Abgang?

Die Zahlen, die Biermeier hinterlässt, lesen sich eindrucksvoll. Hatte noch in den Krisenjahren 2013 und 2014 die Stadt jeweils ein Defizit auszugleichen, stimmt die Kasse am Kocher nun wieder. Mit über 42 000 gebuchten Karten im Vorverkauf und einem Plus von 20 Prozent war diese Spielzeit, die am 26. August endet, die bisher beste zum Auftakt der Festspiele überhaupt. Das ist elementar für ein Theater, das zwei Drittel seines 2,7-Millionen-Euro-Etats selbst erwirtschaften muss. Stadt und Land steuern ein Drittel bei.

Den finanziellen Erfolg hat sich Biermeier freilich teuer erkauft. Der Spagat, den ein Intendant in Schwäbisch Hall zu leisten hat, ist ohnehin gewaltig, die große Treppe mit rund 1600 Plätzen erfolgreich zu bespielen eine Mammutaufgabe. Zudem decken sich die Ansprüche des Haller Bildungsbürgertums nicht unbedingt mit denen des Sommertheaterpublikums im Arrangement. Was hat Biermeier nicht alles versucht. Wie andernorts setzte er auf Musicals als Publikumsmagneten, schrieb darüber hinaus die erfolgreichsten Stücke („Summer of Love“ und „Stairways to Heaven“) gemeinsam mit seinem Dramaturgen Georg Kistner gleich selbst und legte mit der Inszenierung der „Tochter des Salzsieders“ ein Haller Bürgertheater vor, in das er so ziemlich alles gepackt hatte, worauf diese ehemalige freie Reichsstadt stolz ist. Die Substanz freilich blieb häufig auf der Strecke.

Zu viel Klamauk, zu wenig Gehalt

An der künstlerischen Ausrichtung der Traditionsspiele unter seiner Intendanz kamen in den vergangenen Jahren zunehmend Zweifel auf. Kritiker bescheinigten dem 52-Jährigen zu viel Klamauk und zu wenig Gehalt. Man habe ihm bereits 2013 die „gelbe Karte“ gezeigt, verrät ein Kuratoriumsmitglied hinter vorgehaltener Hand. Das Kuratorium, auch so eine Haller Besonderheit. Auf Basis der Vorschläge des Intendanten fällen rund zwanzig Männer und Frauen hinter verschlossenen Türen die Entscheidung über den Spielplan. Jede Gemeinderatsfraktion entsendet einen Vertreter oder eine Vertreterin, der Oberbürgermeister sitzt dem Gremium vor. Eine kompetente Truppe, die den Intendanten nicht bremst, sondern inspiriert? Die Frage stellen sich manche und fordern, die Arbeit des Kuratoriums zu professionalisieren.

Mit der zweiten Spielstätte, dem Globe-Theater, hatte Biermeier trotz seiner Erfahrungen als Regisseur im Theater Lindenhof in Melchingen zuletzt wenig Erfolg. Renner waren eher Gastspiele als Eigenproduktionen. Kraft gekostet hat wohl auch die Erfahrung, dass das Publikum Qualität nicht unbedingt als solche erkennt. 2012, als er mit der Wahl des selten gespielten Stücks „Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung“ von Christian Dietrich Grabbe den Begriff des „Haller Volkstheaters“ prägen wollte, fiel die gelungene Inszenierung (Donald Berkenhoff) beim Publikum vollkommen durch. Nicht besser erging es Biermeier 2013 als Regisseur der schrägen Revue „Im weißen Rössl“ auf der großen Treppe, die ihm positive Kritiken und leere Stühle einbrachte.

Machtvolle Entscheidung für einen Neubau

Die öffentliche Debatte über das Globe hat Biermeier vollends zum Getriebenen gemacht. Wie soll sich auch ein Haller Intendant der vom Haller Oberbürgermeister machtvoll erzwungenen Entscheidung für einen Neubau entgegenstellen. Biermeier spielte mit - nolens volens, wie es schien -, was ihm nicht nur Freunde eingebracht hat, denn der Widerstand in der Stadt gegen den Politikstil wie den Entwurf ist spürbar.

Dieser Theatermann, der sich in der Öffentlichkeit gerne mit Hut zeigt, ist ohnehin kein Rebell. Ein Adabei, der Sponsorengelder akquiriert, ebenso wenig. Fleißig ja, aber als Regisseur sei er „zu schnell zufrieden“, sagen manche Schauspieler, die seinen kollegialen Umgang jedoch schätzen. Ein Gescheiterter? Nein. Eher ein Zermürbter. Jetzt will er „die Akkus wieder aufladen“, sagt Biermeier. Und sich um die Familie kümmern. Vor dieser Entscheidung kann man dann doch den Hut ziehen.