Das Rathaus 1880 und heute. Weitere Vergleichs-Bilder finden Sie in unserer Bildergalerie und als Slider im Text. Foto: Stadtarchiv Ludwigsburg, factum/Bach

Das Stadtarchiv Ludwigsburg digitalisiert seine Bestände. Auf alten Fotos kann man ungewohnte Ansichten der jungen Stadt entdecken.

Ludwigsburg - Der Arsenalplatz voller Kanonen, Kriegsgefangene auf dem Karlsplatz oder ein See, wo heute der Schulcampus ist: Wer sich mit der Geschichte der vergleichsweise jungen Stadt Ludwigsburg beschäftigt, kann einiges Unbekanntes über sie durch alte Fotos und Filme erfahren. Aufnahmen, die im Stadtarchiv Ludwigsburg lagern, etwa 100 000 Bilder und 250 Filme sind es – und wenn die Pläne von Simon Karzel, dem Leiter des Stadtarchivs, aufgehen, werden es noch eine ganze Menge mehr werden: Derzeit sucht er zusammen mit dem Ludwigsburger Filmclub alte Filmaufnahmen aus Ludwigsburg, die anschließend neuen Aufnahmen gegenübergestellt werden sollen.

Dass eine solche Gegenüberstellung interessante Aha-Effekte hervorbringen kann, zeigen die Fotos auf dieser Seite: So sieht man auf Aufnahmen aus dem Jahr 1871, wie auf dem Arsenalplatz Hunderte Kanonen präsentiert werden – Kriegsbeute aus dem frisch gewonnenen Deutsch-Französischen Krieg . Die französischen Kriegsgefangenen hingegen mussten sich auf dem Karlsplatz versammeln, um dort abgelichtet zu werden. Heute präsentieren sich auf den beiden Plätzen parkende Autos.

Alte Aufnahmen sollen digital abrufbar werden

Wohl auch unter Ludwigsburg-Experten kaum bekannt sein dürfte der wenig glanzvolle Verlauf des Hauses an der Ecke See-/Wilhelmstraße: Im Gebäude wohnte einst der Dichterfürst Friedrich Schiller für ein Jahr, sein Sohn Karl wurde darin geboren – heute werden hier Sandwiches der Fast-Food-Kette Subway erzeugt.

Die alten Aufnahmen sollen nun auch den Bürgern der Stadt zugänglich gemacht werden. Denn was bisher in den Kellern des Archivs an der Mathildenstraße lagerte, soll digital abrufbar werden. Anlässlich des Stadtjubiläums werden nun nach und nach die Bestände des Archivs digitalisiert. „Momentan haben wir etwa sechs Terabyte an digitalen Informationen, die wir im Stadtarchiv verwahren“, sagt Simon Karzel. Das ist aber nur ein Bruchteil dessen, was noch an Arbeit vor ihm und seinen Mitarbeitern liegt. „Wir schlagen gerade Schneisen“, sagt Simon Karzel.

Das Archiv soll sich den Bürgern öffnen

Wie lange es dauern wird, all die Dokumente des Archivs in eine digitale Form zu überführen, kann Karzel nicht sagen. „Dazu fehlen uns die Erfahrungswerte.“ Für ihn ist wichtig, dass sich das Archiv den Bürgern öffnet. Bärtige alte Männer mit Lederflicken am Cord-Jackett und mit Spinnweben benetzte Bücherregale – dieses klischeebeladene Bild sollen die Ludwigsburger nicht von ihrem Archiv haben. „Laufkundschaft bei uns wäre schön“, sagt er. Dafür gibt es bereits Kooperationsprojekte, beispielsweise mit Schulen und dem Kunstzentrum Karlskaserne.

Karzel sieht sich als Brückenbauer zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Sein Credo: Nur durch Bezug zur Gegenwart wird Geschichte für den Bürger auch wirklich relevant. Nach dem Motto: Wer weiß, dass das Gebiet zwischen der Mathilden- und der Karlstraße früher eine stinkende Sumpflandschaft war, weiß den dortigen Schulcampus heute mehr zu schätzen. Daher auch die Idee der Gegenüberstellung von Filmaufnahmen von früher und heute.

Oft ist der Urheber der Bilder nicht klar

Wenn die Aufnahmen von Hobbyfilmern zur Verfügung gestellt werden, entfällt ein nicht unerhebliches Problem, das das Stadtarchiv mit vielen Aufnahmen in seinen Beständen hat: Der Urheber ist nicht klar, weshalb die Bilder nicht veröffentlicht werden können – es sei denn, das Foto ist bereits über 70 Jahre alt. Dann gilt das Werk als gemeinfrei. Die Datierung des Bilds erfolgt durch historische Expertise. Ist beispielsweise der Salonturm zu sehen, weiß der Archivar, dass das Foto vor dem Ausbau der B 27 in den 1950er Jahren entstanden sein muss.

Langfristig schwebt Karzel eine Art digitales Archiv mit eigenem Portal vor, das jeder Bürger online von zu Hause aus bedienen kann. Doch bis dahin gibt es für die Scanner des Ludwigsburger Stadtarchivs noch sehr, sehr viel zu tun.

Das Gedächtnis der Stadt: Das Archiv und seine Arbeit

Geschichte
Die erste Erwähnung einer Art Archiv der Stadt Ludwigsburg stammt aus dem Jahr 1729. Auf einer Rechnung wird ein Kasten aufgeführt, „worinnen das Zinngeschirr und schriftliche Documenta verwahrt werden“. Seit 1978 ist das Ludwigsburger Stadtarchiv hauptamtlich besetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man begonnen, die Archivalien aus den Ludwigsburger Stadtteilen nach Ludwigsburg zu holen. Erst 1977/78 gab es für alle Unterlagen einen gemeinsamen Standort im Bildungszentrum West. Im Jahr 2011 zog das Stadtarchiv in die Mathildenstraße. Dort, im Zentrum der Stadt, möchte man eine offene Anlaufstelle für interessierte Bürger sein.

Bestand
Das Stadtarchiv lagert knapp 15 000 Bücher, etwa 100 000 Fotos sowie 250 Filme in seinen Beständen. Die Hauptmasse der Dokumente sind allerdings Akten und Amtsbücher: Knapp 3,5 Kilometer wären sie, würde man sie aneinanderreihen.

Suche
Das Stadtarchiv Ludwigsburg und der Ludwigsburger Filmclub suchen anlässlich des Stadtjubiläums nach unbekannten Filmaufnahmen von historischen Ereignissen und Gebäuden der Stadt. Die alten Aufnahmen sollen aktuellen Aufnahmen gegenübergestellt werden. Wer im Besitz solcher historischen Filmaufnahmen aus Ludwigsburg ist, kann sich an folgende E-Mail-Adressen wenden: heidemarie.ritter@lfc-lb.de oder stadtarchiv@ludwigsburg.de.