Fast 13 000 Menschen wurden im vergangenen Jahr aus Deutschland abgeschoben. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Nancy Faeser will Abschiebungen vereinfachen. Doch nicht alle Regierungspartner sind mit ihren Vorschlägen einverstanden. Auch aus ihrer eigenen Partei kommt Kritik.

Einer der vielleicht strittigsten Sätze im Koalitionsvertrag findet sich auf Seite 122: „Nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben“, steht dort. In sozialen Netzwerken empörten sich nach der Regierungsbildung viele Menschen darüber, dass die Grünen, die eigentlich für eine liberalere Migrationspolitik stehen, dem zugestimmt hatten – und insbesondere dem Vorhaben, das im folgenden Satz angekündigt wird: „Wir starten eine Rückführungsoffensive.“

Das will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun umsetzen. In dieser Woche machte ihr Haus Vorschläge, wie Abschiebungen effizienter umgesetzt werden können. Ihre Ideen will Faeser nun mit Ländern und Kommunen abstimmen. Doch innerhalb der Ampelkoalition sind viele über den Vorstoß aus dem Innenministerium verärgert.

28 statt zehn Tage in Abschiebegewahrsam

Der Entwurf sieht vor, dass die höchstmögliche Dauer des Ausreisegewahrsams verlängert werden soll – also die Länge der Zeit, die jemand in Sicherungshaft verbringt, bevor er abgeschoben wird. Die liegt aktuell bei zehn Tagen. Laut dem Vorschlag sollen es künftig 28 Tage sein. Außerdem soll es Behörden künftig erlaubt sein, auch fremde Wohnungen oder Räume in Gemeinschaftsunterkünften nach Ausreisepflichtigen zu durchsuchen. Das war bislang nur in den Räumen erlaubt, in denen die Betroffenen selbst wohnen. Zentral ist auch, dass ein Verstoß gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot künftig ausreichen soll, um jemanden in Abschiebehaft zu nehmen.

Schon im Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Länderchefs und -chefinnen bei einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) im Kanzleramt ähnliche Ideen in einem Beschlusspapier festgehalten. Dort war man sich einig, dass Ausweisungen konsequenter durchgesetzt werden sollen. Das hatte allerdings schon damals für Unmut unter den Grünen gesorgt. Von ihnen wurde immer wieder betont, dass es nicht Sache des Kanzlers und der Länder sei, solche Entscheidungen zu treffen – sondern der Bundesregierung, zu der die Grünen nun mal gehören. Dass die Beschlüsse aus der Sonder-MPK nun in einem Entwurf stehen, über den Faeser mit Bund und Ländern diskutieren will, scheint einige zu überraschen.

„Massiver Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht“

Filiz Polat, Migrationspolitikerin und Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, kritisierte den Vorstoß. „Abschottung und Abschreckung haben nichts mit den tatsächlichen Herausforderungen bei der Aufnahme, Versorgung und Integration von Schutzsuchenden zu tun“, sagte Polat dieser Redaktion. „Der Ausreisegewahrsam ist aufgrund des massiven Eingriffs in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht grundsätzlich abzulehnen.“ Es brauche Alternativen zum Ausreisegewahrsam, dieser sei kein notwendiges Instrument, so Polat.

Auch Mitglieder aus Faesers eigener Partei kritisieren ihre Vorschläge. Aziz Bozkurt, Vorsitzender der AG Migration und Vielfalt in der SPD, sagte dieser Zeitung: „Insbesondere die Ausweitung des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage und die Ausdehnung der Polizeibefugnisse sind aus sozialdemokratischer Sicht mehr als schwierig.“ Er betonte: „Es scheint die seehofersche Symbolpolitik zurückgekehrt zu sein, die niemandem hilft und kein Problem löst - besonders in den Kommunen nicht, die Unterstützung benötigen.“

FDP begrüßt die Vorschläge

Die FDP im Bundestag unterstützt hingegen die Vorschläge aus dem Bundesinnenministerin. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Stephan Thomae sagte der Deutschen Presse-Agentur, die geplanten Erleichterungen bei den Verfahren seien ein wichtiges Signal. Noch immer scheiterten zu viele Abschiebungen.

Fast 13 000 Menschen wurden im vergangenen Jahr aus Deutschland abgeschoben. Am häufigsten Georgier, gefolgt von Nordmazedoniern und Albanern. Das geht aus Angaben der Bundesregierung hervor. Insgesamt lebten knapp 300 000 Menschen in Deutschland, die als vollziehbar ausreisepflichtig gelten. Von ihnen sind allerdings fast 250 000 geduldet. Das heißt, sie dürfen vorerst nicht abgeschoben werden – zum Beispiel wegen der Situation in ihrem Herkunftsland, wegen Krankheit, weil ihnen wichtige Dokumente fehlen oder weil ihre Identität nicht geklärt werden kann.