An der Filderklinik ist es vor knapp vier Jahren zu einer Tragödie gekommen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Eine 21-Jährige stirbt in der Filderklinik. Dem Chefarzt ist jedoch kein Behandlungsfehler nachzuweisen. Das Amtsgericht Nürtingen stellt das Verfahren ein.

Filderstadt - Es ist keine Verurteilung, aber auch kein Freispruch: Am Amtsgericht Nürtingen ist am Donnerstag das Verfahren gegen einen 56-jährigen Mediziner wegen fahrlässiger Tötung eingestellt worden. In dem Fall stand Gutachten gegen Gutachten. Die Prozessbeteiligten einigten sich schließlich auf die Einstellung, weil sie zu der Überzeugung gelangt waren, dass am Ende dem Angeklagten ein Behandlungsfehler nicht nachzuweisen wäre.

Mit starken Schmerzen kommt die Frau ins Krankenhaus

Allerdings muss der Chefarzt als Auflage 30 000 Euro zahlen, die je zu einem Drittel an die Staatskasse, das Kinderhospiz Stuttgart und die Hinterbliebenen einer 21-Jährigen fließen, die Ende April 2015 nach einer Operation in der Filderklinik in Filderstadt-Bonlanden (Kreis Esslingen) gestorben ist. Die junge Frau hatte am 21. April gegen 6 Uhr mit starken Schmerzen das Krankenhaus aufgesucht. Beim Ultraschall wurde eine knapp sieben Zentimeter große Zyste im Unterbauch festgestellt. Bei der folgenden Bauchspiegelung kam es dann zu Komplikationen, die tödlich ausgingen.

So gelang es dem Operateur bei dem minimalinvasiven Eingriff zunächst nicht, Gas in den Bauchraum zu leiten, um die sonst eng anliegenden Bauchorgane voneinander zu trennen. Um 12.40 Uhr wurde schließlich der Leitende Arzt der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe hinzugerufen. Um 13.03 Uhr setzte der 56-Jährige die Operation dann fort.

Eine Schlagader der Frau wird verletzt

In den folgenden drei Minuten kam es zur Katastrophe. Der Arzt entschied sich, ohne Sicht mit dem Punktionsinstrument in den Bauch zu gehen. Bei dem Routineeingriff verletzte der Mediziner die Beckenschlagader der Frau, die um 13.06 Uhr wiederbelebt werden musste. Um die massive Blutung zu stoppen, wurde ein Viszeralchirurg des Hauses zu Hilfe gerufen. Diesem gelang es innerhalb von 17 Minuten, die Blutung einzugrenzen.Um 14.45 Uhr eilte auch ein von einem anderen Krankenhaus im Kreis alarmierter Arzt zu Hilfe. Trotz aller Rettungsversuche starb die 21-Jährige am 26. April gegen 22.30 Uhr, ohne zuvor das Bewusstsein wieder erlangt zu haben.

Das Verfahren gegen den Arzt war schon einmal eingestellt worden – vor knapp zwei Jahren durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Gegen diese Entscheidung legten die Angehörigen der Frau Beschwerde ein. Daraufhin wurde der Fall erneut aufgerollt. Vier fachmedizinische Gutachten sind in der Folge erstellt worden, die aber zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Behandlungsfehler sehen die einen, keine Pflichtverletzung des Arztes die anderen. „Man wird am Ende zu der Auffassung kommen, dass man nicht entscheiden kann, welches Gutachten falsch ist“, sagte der Staatsanwalt Thomas Hochstein am Donnerstag im Gerichtssaal.

Der 56-Jährige Arzt fasst sein Bedauern in Worte

Einige der zahlreich als Zuhörer erschienenen Hinterbliebenen schluchzten. Der Richter Michail Stogianidis sagte, „dass dieser nicht alltägliche Fall auch mich mitgenommen hat“. „Das Leben der Familie ist durch den Vorfall zerstört, sie wird nie wieder glücklich sein“, sagte die Vertreterin der Nebenklage. Ein hohes Schmerzensgeld, das die Haftpflichtversicherung der Klinik den Hinterbleibenen gezahlt hat, ändere daran nichts. An den Arzt gerichtet sagte die Anwältin: „Man hat kein Verständnis, dass Sie weiter praktizieren.“ Der Gynäkologe erklärte zum Schluss: „Ich trage Verantwortung, ich kann aber die Ereignisse nicht ungeschehen machen, und ich bedaure zutiefst das Leid, das ich meiner Patientin und den Angehörigen zugefügt habe. Ich bin überzeugt gewesen, das Richtige zu tun.“