Fabian Schittenhelm (links) erklärt bei einer Fahrstunde der Fahrschülerin Amelie die Grundlagen. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Kameras, Mikrofone und Antennen – im Fahrschulauto von Fabian Schittenhelm findet sich einiges an Technik: Der Fahrlehrer überträgt seine Fahrstunden live im Netz. Was soll das? Und was halten Fahrschüler und Experten davon?

„Guck mal, sogar meine Mama ist heute im Chat dabei“, sagt Fahrlehrer Fabian Schittenhelm, als er in die Kommentarspalte seines Livestreams schaut. Doch nicht nur sie ist dabei - im Schnitt schauen rund 500 Menschen zu, wenn der Fahrlehrer seine Schüler in Ostfildern (Kreis Esslingen) unterrichtet. Damit das möglich ist, hat Schittenhelm sein Auto mit viel Technik ausgestattet: „Mittlerweile fahre ich ein halbes Studio im Auto mit rum“.

Sein „Studio“, das sind vor allem Kameras, Router, Sim-Karten und Antennen, die er im Fahrschulauto angebracht hat. Sein Privatleben teilt der 34-Jährige schon seit einigen Jahren mit dem Internet. Irgendwann hätten seine Zuschauer gefragt, ob sie ihn auch mal bei der Arbeit begleiten könnten. Schittenhelm gefiel die Idee. Seit gut eineinhalb Jahren überträgt er nun auch seine Fahrstunden auf der Streaming-Plattform Twitch.

Der Ton wird über Mikrofone übertragen

Dafür hat der Fahrlehrer drei Kameras im Auto installiert. Eine Kamera filmt nach vorne mit. „Die filmt im Prinzip, wo wir gerade hinfahren“. Eine weitere Kamera ist nach innen gerichtet, so dass die Zuschauer sehen können, wie die Schülerinnen und Schüler lenken oder in die Spiegel schauen. Über die dritte Kamera kann man beobachten, was gerade hinter dem Fahrzeug passiert. So könne man beispielsweise sehen, wenn jemand zu dicht auffahre oder sich aufrege. Nur bei den Prüfungen und bei Schülern, die während der Fahrstunde nicht gefilmt werden wollen, bleibt die Kamera laut Schittenhelm aus.

Der Ton wird über Mikrofone übertragen, so dass Schittenhelm direkt auf die Kommentare und Fragen antworten kann. Und der Chat steht nicht still: Von Kommentaren zur Fahrstunde, über allgemeine Fragen zu Verkehrsregeln und Fragen zu Schittenhelms Privatleben ist alles dabei. Das ist auf Twitch nicht ungewöhnlich: Wurde die Plattform früher vor allem von Gamern genutzt, um den Verlauf von Videospielen zu übertragen, finden sich dort heute viele Menschen, die ihr Leben zeigen und damit - wie Schittenhelm - Geld verdienen.

Was sagen die Fahrschüler zur Methode?

Datenschutzrechtlich hat der 34-Jährige keine Bedenken, weil das Geschehen nur live übertragen, nicht aber gespeichert werde. Wenn er nach der Fahrstunde einen Ausschnitt in den sozialen Medien hochlade, mache er insbesondere Autokennzeichen unkenntlich. Schlussendlich sei die Übertragung eine Win-win-Situation für alle. Denn Fahrschüler könnten sich beispielsweise anschauen, wie schwierige Strecken von anderen gemeistert würden. Zuschauer mit Führerschein könnten ihr Fahrschulwissen noch einmal auffrischen.

Der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg sieht die Präsenz von Fahrschulen in den sozialen Medien grundsätzlich positiv. „Dass heute eine Fahrschule an Social Media nicht mehr vorbeikommt, das ist völlig unbestritten“, sagte Jochen Klima, erster Vorsitzender des Verbandes. Wenn es um die Liveübertragung einer Fahrstunde gehe, dürfe das aber nicht zulasten der Aufmerksamkeit im Verkehr gehen. Dort bei der Sache zu sein, „das ist die originäre Aufgabe des Fahrlehrers“.

Doch was sagen die Fahrschülerinnen und Fahrschüler von Fabian Schittenhelm? Schließlich sind sie es, die sich Woche für Woche im Internet präsentieren. Die 17-jährige Amélie stört der Livestream während der Fahrt nicht: „Ich bekomme das tatsächlich gar nicht mehr mit, ob die Fahrstunde so richtig übertragen wird.“ Sie wisse natürlich, dass die Stunde im Netz zu sehen sei, blende es aber komplett aus und fokussiere sich auf das Fahren.

Der Fokus liegt immer auf den Schülern

Auch Fahrschüler Tom schätzt den Unterricht bei Schittenhelm: „Er ist ein richtig entspannter Lehrer. Also es macht Spaß, mit ihm zu fahren.“ Probleme damit, dass die Menschen im Internet auch seine Fehler während der Fahrstunde mitbekommen, hat Tom nicht. „Fehler macht ja jeder.“ Alle hätten schon einmal das Auto abgewürgt.

Der ADAC Württemberg ist der Meinung, dass Kameras im Fahrschulauto zwar unter Umständen für die Analyse der Unterrichtseinheit genutzt werden könnten, wenn sie die Verkehrssituation erfassten und den Fokus nicht auf die Insassen richteten. Gleichzeitig bezweifelt der Verband aber, ob ein „auf Unterhaltung ausgelegter Livestream im Internet“ diese Funktion erfülle. „Letztendlich lernt man das Fahren hinter dem Steuer, das nimmt einem auch kein Video ab“.

Das sieht auch Schittenhelm so. Denn Livestream hin oder her - der Fokus liege für ihn immer auf den Schülerinnen und Schülern und damit im Auto, betont er. Dass er seinen Schülern das Fahren ganz real und unabhängig von der Übertragung beibringt, wird deutlich, als er sich mitten im Satz selbst unterbricht. Fahrschülerin Amélie will abbiegen und ist zu schnell: „Brems weiter runter“, sagt er und erklärt die Situation. Erst dann spricht er weiter.