Bernhard Bauer: Der ehemalige DHB-Präsident sitzt im Organisationskomitee des WM-Spielortes Bietigheim-Bissingen. Foto: dpa

An diesem Freitag starten die deutschen Handball-Ladies in die WM in Leipzig, am Samstag beginnen die Spiele in Bietigheim. Im Interview erklärt der frühere DHB-Präsident Bernhard Bauer, warum die Titelkämpfe eine Investition in die Zukunft sind.

Stuttgart - Bernhard Bauer war nicht nur Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) und des Handball-Verbandes Württemberg (HVW), er sitzt auch im Organisationskomitee des WM-Vorrunden-Spielortes Bietigheim-Bissingen – und setzt deshalb auf eine gute Resonanz vor Ort.

Herr Bauer, im Unterschied zu einer Männer-WM ist es doch relativ leicht, eine Frauen-WM zu bekommen, weil die in der Regel international nicht so gefragt sind wie eine Männer-WM.
Dies trifft sicher zu, denn der Frauenhandball hat – leider – im Vergleich mit dem Männerhandball in der Welt nicht überall den Stellenwert, den er haben sollte. Deshalb ist die Konkurrenz bei einer Bewerbung um eine Männer-WM größer. Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, dass jedes Land, das sich um eine Männer-WM bewirbt, bereits eine Frauen-WM ausgerichtet haben müsste oder sich um eine Frauen-WM bewerben muss. Deutschland hat als großes Handballland eine Vorbildfunktion und ist daher auch natürlich irgendwann in der Pflicht, zu zeigen, wie wichtig der Frauenhandball ist. Seit der letzten Frauen-WM im Jahr 1997 sind inzwischen zwanzig Jahre vergangen und es ist gut, dass im Jahr des hundertjährigen Jubiläums im Land der Entstehung des Handballs zu Gast sind. Für den Erfolg unserer Bewerbung um die Männer-WM 2019, die wir gemeinsam mit Dänemark ausrichten dürfen, gab die Bereitschaft, eine Frauen-WM auszurichten, sicher noch Rückenwind.
Sie gelten ja als Fan des Frauenhandballs. Was erwarten Sie sich von der WM überregional, aber auch hier in Bietigheim?
In der Tat bin ich seit langem ein großer Fan des Frauenhandballs, der leider oft nicht den Stellenwert erfährt, den er verdient. Frauenhandball ist – zumal auf dem Niveau einer WM – schnell, athletisch, attraktiv, spannend und technisch anspruchsvoll. Deshalb erhoffe ich mir, dass viele Menschen zu den Spielen kommen. Ich bin sicher, sie werden danach ebenso begeistert sein wie ich. Wir wünschen uns, dass viele Mädchen und Frauen Appetit auf zum Handball bekommen. Appetit, der gerade in Baden-Württemberg gestillt werden kann, denn in keiner Region Deutschlands gibt es mehr Erst- und Zweitligisten. Zudem wurde Bietigheim in der letzten Saison erstmals Deutscher Meister und hat den Supercup gewonnen. Das unterstreicht die Breite und Stärke des Frauenhandballs in Baden-Württemberg eindrucksvoll.
Was muss sich noch ändern, damit die Sportart kein Schattendasein führt?
Fast vierzig Prozent der Mitglieder im Deutschen Handballbund (DHB), aber auch im Handballverband Württemberg (HVW) sind weiblich. Dies ist eine beachtliche Anzahl und zeigt deutlich wie attraktiv Frauenhandball ist. Dies bestätigen auch die Zuschauerzahlen bei den Spielen der Bundesligisten, die im Durchschnitt bei über 1000 pro Spiel liegen. Diese müssen sich hinter den Zahlen der Frauenfußballbundesliga nicht verstecken. Was im Unterschied zum Frauenfußball fehlt, ist – leider – eine breite Resonanz in den Medien. Beispielsweise finden Frauenhandball, Frauenvolleyball, Frauenbasketball u.a. im Fernsehen kaum oder nicht statt. Deshalb muss es unser Anspruch sein, Frauenhandball noch weit stärker als bisher in allen Medien zu präsentieren.
Umso wichtiger ist natürlich, dass die WM auch im frei empfangbaren Fernsehen in Deutschland zu sehen sein wird. Wie erleichtert sind Sie, dass noch ein Kompromiss gefunden wurde?
Sehr erleichtert, nachdem es zunächst dieselben Probleme wie bei der Männer-WM gab, weil die Rechte bei BeIN liegen. So lange das frei empfangbare Fernsehen noch so verbreitet ist, ist es ganz wichtig, dass die Sportarten neben Fußball die Möglichkeit haben, sich darzustellen. Es wird auch in Zukunft, sowohl für die Gewinnung von Nachwuchs als auch für die Akquirierung von Sponsoren, besonders wichtig sein im Fernsehen zu sehen, was eine Sportart ausmacht. Deshalb wünsche ich mir, dass eine „Sportschau“ tatsächlich über viele Sportarten wie Handball, Volleyball oder Basketball berichtet – und nicht nur über Fußball.
Wie sieht es mit dem Zuspruch der Zuschauer in der Egetrans-Arena aus, die Sie so weit wie möglich vollkriegen wollen?
Die Vorrundengruppe ist hochattraktiv, angeführt von dem Welt- und Europameister Norwegen. Mannschaften wie Schweden, Ungarn, Polen, Tschechien, aber auch Argentinien stehen für schnellen und spektakulären Handball und sind immer für Überraschungen gut. Bietigheim ist zudem eine Handball-Hochburg und liegt in einer wirtschaftsstarken Region. Der HVW hat gemeinsam mit der Stadt Bietigheim-Bissingen zudem ein anspruchsvolles Rahmenprogramm entwickelt, das die WM zu einem Erlebnis macht. Zum Beispiel ist die Halle am Viadukt zu einer der Fan-Zone umgestaltet worden, in der an jedem Spieltag ein Programm stattfindet. Dies gibt es in dieser Form an keinem anderen Standort. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass der sehr gute Zuspruch der Zuschauer weiter anhalten und für eine prächtige Stimmung sorgen wird.
Göppingen hatte sich auch als Austragungsort beworben, was gab den Ausschlag?
Dies müssen Sie den DHB fragen, ich weiß es nicht. Ich vermute, dass Bietigheim als schuldenfreie Stadt ein attraktives Angebot unterbreiten konnte. Was wir in dem Jahr der gemeinsamen Vorbereitung der WM erlebt haben, unterstreicht das große Engagement der Stadt und aller Beteiligten.