Die EU wirft derzeit mehr Fragen auf als sie beantwortet Foto: dpa

Die EU ist gespalten – in der Frage der Euro-Rettung ebenso wie bei der Flüchtlingskrise. Ein Nein der Briten zum Verbleib wäre ein herber Schlag – ein Ja dagegen könnte einen positiven Impuls auslösen, den Europa dringend braucht.

Stuttgart - Scheitert der Euro, scheitert Europa – diesen Satz hat Angela Merkel bis heute nicht zurückgenommen. Griechenland bekommt durch diese Ansage schwarz auf weiß, dass man es auf jeden Fall retten wird, selbst wenn es sich nur mäßig kooperativ verhält. Dies gilt umso mehr, als sich die Verhandlungsposition von Ministerpräsident Alexis Tsipras seither auf dramatische Weise verbessert hat. Beim Euro legte sich Merkel auf eine Rettung um jeden Preis fest, bei der Flüchtlingskrise auf ein Offenhalten der Binnengrenzen. Scheitert Griechenland bei der Sicherung der Außengrenzen, scheitert Europa – so lautet die unausgesprochene Devise in der Flüchtlingskrise. So vieles auch dafür spricht, Europa nach außen und nicht nach innen abzugrenzen – nun liegt das Schicksal von Merkels Strategie sowohl beim Euro als auch bei der Flüchtlingskrise maßgeblich in den Händen von Griechenland, das sich bisher kaum als imstande erweist, den Strom der Flüchtlinge zu begrenzen oder auch nur die Einwanderer verlässlich zu registrieren.

Der Umstand, dass es bisher keine große Diskussion über ein Tauschgeschäft – Unterstützung in der Flüchtlingskrise gegen Lockerungen bei den Euro-Auflagen – gegeben hat, lässt die Vermutung zu, dass genau darüber im Stillen verhandelt wird. So richtig es ist, dass Griechenland mit der Aufgabe, die EU-Außengrenzen zu sichern, nicht alleingelassen wird, so wichtig ist es aber, die schwelende Schuldenkrise nicht völlig aus den Augen zu verlieren. Normalerweise müsste Griechenland für seine riesigen Schulden astronomische Zinsen zahlen – und hätte deswegen längst aufhören müssen, seine Ausgaben auf Kosten von Enkeln und Großenkeln zu finanzieren. Weil sich aber die EU immer wieder breitschlagen ließ, dem Land weitere Schulden zu ermöglichen, wurde die natürliche Sicherung gegen ein Leben auf Pump außer Kraft gesetzt.

Die Folgen sind Schulden, die selbst von der gesamten EU nur noch schwer zu schultern sind. Und schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich Griechenland ein weiteres Mal schwertut, Reformen umzusetzen, die die Hilfsbedürftigkeit verringern sollen. Die jüngsten Börsenturbulenzen haben bereits gezeigt, dass selbst gigantische Geldspritzen allmählich ihre Wirkung verlieren. Nach billionenschweren Rettungspaketen, gigantischen Anleihekäufen und Negativzinsen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass es ohne solides Wirtschaften wohl doch nicht geht. Mehr noch: Sonderbedingungen für Griechenland beim Euro würden bei anderen hoch verschuldeten Ländern nur Begehrlichkeiten wecken und so die Spaltung der EU vertiefen.

Die Spaltung der EU erschwert die Lösung der Euro- und der Syrien-Krise

Diese Spaltung erschwert bereits die Bewältigung der Euro-Krise massiv. Fatal wäre es aber, wenn es auch nicht gelänge, im Syrien-Konflikt gemeinsame Positionen zu finden. Dort vertritt Russland seine Interessen mit militärischer Macht, Europa dagegen streitet, was seine Interessen überhaupt sind. Noch nicht einmal über die Sanktionen gegen Russland ist sich Europa einig, geschweige denn über den Umgang mit den Flüchtlingen.

Dass nun mit Großbritannien bald ein großes EU-Mitglied über einen möglichen Ausstieg aus der EU abstimmt, macht die Lage nicht einfacher. Gewiss, ein Ausscheiden hätte auch für die Briten selbst gravierende Nachteile – schon deshalb, weil es Londons Rolle als Finanzmetropole schwächen würde. Doch auch die EU würde darunter massiv leiden – wirtschaftlich wie politisch. Doch auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Bleibt das traditionell europakritische Großbritannien in der EU, hätte dies eine Signalwirkung für ganz Europa, das auf Geschlossenheit mehr denn je angewiesen ist – und das sich derzeit uneiniger ist denn je.

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