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Die Tabakbauern haben in diesem Jahr eine gute Ernte eingefahren. Für einige könnte es dennoch die letzte gewesen sein. Die EU streicht den Landwirten von 2010 an die Beihilfen.

Heidelberg - Eine gute Ernte haben die Tabakbauern in diesem Jahr eingefahren. Für einige könnte es dennoch die letzte gewesen sein. Die EU streicht den Landwirten von 2010 an die Beihilfen. Zahlt die Industrie keine höheren Preise, geht eine jahrhundertealte Tradition in Baden-Württemberg zu Ende.

Für dieses Jahr hat Landwirt Rolf Jost den letzten Tabak vom Feld eingeholt. Die nächsten Wochen hängen die Tabakblätter in seinem Folienhaus in Heidelberg-Kirchheim und trocknen. Erst wenn sie goldbraun sind, hängen er und seine Helfer den Tabak wieder ab und sortieren die fauligen Teile aus. Tabak ist ein Geschäft, das von der Aussaat bis zur Ernte viel Handarbeit erfordert. Rund 600 Arbeitsstunden braucht es, ehe die Pflanzen eines Hektars auf dem Verkaufstisch liegen. Zirka vier Euro bekommt Jost dann für das Kilo. 2,50 Euro davon zahlt die Europäische Union. Diese Subventionen werden ab 2010 gestrichen. Ob die Industrie im nächsten Jahr bereit ist, mehr für seine Ernte zu bezahlen, weiß Jost noch nicht.

Derzeit versuchen sich die Erzeuger Gehör bei der Tabakindustrie zu verschaffen. Das einzige Signal kam bisher vom deutschen Zigarrenhersteller André. Er hat zugesagt, von 2010 an die ausgefallenen EU-Gelder in einer noch nicht festgelegten Höhe zu kompensieren. Von den anderen Unternehmern gibt es noch keine Reaktionen. "An diesen Entscheidungen hängt die Existenz von über 300 Familienbetrieben in Deutschland", sagt Wolfgang Moritz vom Bundesverband deutscher Tabakpflanzer. Bleibe es bei den aktuellen Marktpreisen, sei ohne EU-Unterstützung kein wirtschaftlicher Tabakanbau in Deutschland möglich.

Doch Moritz macht seinen Verbandsmitgliedern Mut. Vor einer ähnlichen Situation standen vor einiger Zeit auch die Bauern in den USA. Die Firmen waren schließlich bereit, einen höheren Preis zu bezahlen, mit dem die Landwirte bis heute gut wirtschaften können. Die deutschen Erzeuger hoffen auf eine ähnliche Entwicklung.

Auch Bauer Jost schwankt zwischen Zuversicht und Niedergeschlagenheit. "Man fühlt sich, als würde man vor eine schwarze Wand fahren", sagt der 67-Jährige. Vor zwei Jahren hat er den Familienbetrieb an seinen Sohn übergeben. In der sechsten Generation baut die Familie nun das nikotinhaltige Gewächs an. 70 Prozent ihrer Einnahmen erwirtschaften sie über den Tabak. "Für mich ist es noch unvorstellbar, dass es nicht weitergehen könnte", sagt Jost. Mit diesen Gedanken steht er nicht allein da.

"Den Tabakbauern in Deutschland bleiben nicht viele Alternativen", sagt Udo Kienle vom Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim. Durchschnittlich bewirtschaften sie mit 30 bis 40 Hektar eine zu kleine Fläche, um auf eine gewinnbringende Produktion von Getreide oder Mais umsteigen zu können. Dazu müssten sie deutlich größere Felder bestellen. Denkbar wäre höchstens eine Umstellung auf Gemüse oder Obst. Von den Anforderungen und Ertragsmöglichkeiten sind sie dem Tabak am ähnlichsten. Allerdings sei in dieser Sparte die Marktsituation für Neueinsteiger schwierig, erklärt Kienle. In jedem Falle erfordere eine Umstellung aber Zeit und große Investitionen, über die nicht jeder Landwirt verfüge.

Tabakbauern bangen um Existenz

Rolf Jost hat vor einigen Jahren seinen Betrieb neu strukturiert. Damals hat er die Milchwirtschaft aufgegeben, seine Kühe verkauft und in den Tabak investiert. Zwei Folienhäuser, also große Gewächshäuser, hat er gebaut und die Anbaufläche verdoppelt. Er wollte sich ganz auf die Sonderkultur spezialisieren. Heute baut er zehn Hektar und nebenbei ein paar Erdbeeren an. Das Geschäft mit dem Obst auszuweiten würde sich für seinen Betrieb nicht lohnen, meint er. Es gebe schon zu viele Obstbauern in seiner Nähe. Er wartet lieber ab.

"Momentan scheinen viele Landwirte so zu denken und harren aus", sagt Heike Sauer. Sie arbeitet in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg. Im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums berät sie bis ins 2011 Tabakbauern über die Möglichkeiten einer betrieblichen Umstrukturierung. Derzeit stehen ihre Telefone allerdings still. Der Tabakanbau sei lukrativer als die Alternativen Gemüse oder Obst, das wissen die Landwirte. Mit einem erhöhten Bedarf an Beratung rechnet sie erst, wenn die Zigarettenindustrie eindeutig Position bezogen hat. Entscheidet sich der Tabakbauer dann für die Umstrukturierung, stellt ihm das Landwirtschaftsministerium über das Förderprogramm für Agrarinvestitionen Hilfe in Aussicht.

Im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium rechnet man mit einem weiteren Rückgang des Tabakanbaus. Die Zahlen sprechen für sich. Seit 2003 ist nach Angaben der Statistiker die Zahl der Betriebe von 207 Tabakbauern in Baden-Württemberg bis ins Jahr 2007 auf 136 Betriebe um fast ein Drittel geschrumpft. Durch den Wegfall der Subventionen wird sich dieser Trend wahrscheinlich verschärfen. "Ich glaube nicht, dass die bisherigen EU-Subventionen vollständig von der Industrie kompensiert werden", sagt Thomas Berrer. Er ist Referatsleiter für Pflanzenproduktion im Landwirtschaftsministerium.

Dass sich die Existenzfrage stellt, wissen die Tabakbauern schon lange. Bereits 2004 haben die EU-Agrarminister beschlossen, die Subventionierung der Landwirtschaft umzugestalten. Seither sollen nicht mehr einzelne Produkte mit individuellen Zahlungen gefördert werden. In Deutschland berechnen sich die Subventionen nun rein nach der Fläche, die der Landwirt bestellt. Als flächenarme Betriebe ziehen Tabakbauern dabei den Kürzeren. Begleitet wird die Diskussion um die Zahlungen an die Tabakbauern immer auch vom Thema Nichtraucherschutz. Man könne nicht auf der einen Seite große Anti-Raucher-Kampagnen machen und andererseits die Tabakbauern zahlungskräftig unterstützen, heißt es häufig.

In den kommenden Wochen müsste Tabakbauer Rolf Jost eigentlich wieder Saatgut für das kommende Frühjahr kaufen. Er will vorsichtshalber noch abwarten. Was aber, wenn die Tabakindustrie nicht mehr bezahlen will? Einen Plan für diesen Fall hat er nicht.