Manche Buntstifte können es in sich haben. Foto: Werner Kuhnle

Wie sicher sind Kinder vor Giften in Malstiften? Ein Apotheker im Kreis Ludwigsburg warnt. Die Europäische Union berät eine schärfere Verordnung.

Kinder malen gerne. Sie beschmieren sich dabei die Hände, lutschen an den Fingern und knabbern an den Stiften. Das kann langfristig Folgen haben, wenn Gifte im Spiel sind. Der Apotheker Robert Wolhoff, der unter anderem im Kreis Ludwigsburg Filialen in Besigheim und Remseck unterhält, warnt auf der Internetseite seiner Beilsteiner Filiale vor krebserregenden Stoffen in Filzstiften.

Blei und Cadmium in Filzstiften von renommierten Herstellern

Das Internet ist voll von Hinweisen, dass bei Filzstiften, aber auch bei einfachen Buntstiften und Malfarben, Vorsicht geboten ist. So warnen Stiftung Warentest und die Zeitschrift „Ökotest“ vor dem Kauf bestimmter Stifte, die gesundheitsschädliche Stoffe enthalten. Auch im Artikel der Apotheke bezieht sich die Autorin des Portals apotheken.de auf ein Ergebnis von „Ökotest“. Von 19  Filzstiftsets erhielten nur vier ein „sehr gut“, in vier anderen fanden die Tester krebserregende Stoffe. Bei Produkten von Herlitz wurde Blei, von Faber-Castell Cadmium festgestellt: und zwar in Mengen, die gesetzliche Vorgaben deutlich überschritten.

Aktuell ist der Artikel auf der Beilsteiner Apothekenseite jedoch nicht. Die Datumsangabe fehlt, eine Nachfrage bei der „Ökotest“-Redaktion in Frankfurt ergab: Der Artikel bezieht sich auf einen Test aus dem Jahr 2011 – später überprüfte „Ökotest“ im Jahr 2019 Buntstifte. Dabei fiel die Hälfte der zwölf getesteten Produkte durch. „Buntstifte für Kleinkinder enthalten häufig krebserregende oder krebsverdächtige aromatische Amine“, heißt es im Artikel. Bedenkliche Stifte hatte zuvor auch die Stiftung Warentest im Jahr 2018 festgestellt.

Das Verfahren von Ökotest ist strenger als das für die Spielzeugnorm relevante

„Ökotest“ erklärt im Artikel über die Buntstifte, sein Testverfahren sei strenger als das für die Hersteller relevante Prüfverfahren der EU-Spielzeugnorm. „Wir lassen ein Verfahren anwenden, das beim Test von Bedarfsgegenständen und Textilien auf aromatische Amine zum Einsatz kommt.“

Wie sollten sich Verbraucher verhalten, um ihre Kinder zu schützen? Vor Billigprodukten warnt die Erdmannhäuser Schreibwarenhändlerin Cornelia Weiß. „Filzstifte verkaufen wir fast gar nicht – die Grundschulen wollen diese Stifte nicht.“ Und bei Buntstiften gebe es große Unterschiede: „Tatsächlich haben die teuren Stifte eine viel intensivere Farbpigmentierung und brechen nicht so leicht.“ Sie gehe davon aus, dass Marken wie Faber-Castell oder Staedtler auch bei den Schadstoffen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Harter Kurs gegen Kinderschminke in Oberstenfelder Kindergärten

In Oberstenfeld hat die Kita-Fachberaterin Silke Gustmann ein Auge auf Buntstifte, Malfarben und Kinderschminke. Sie vertraue – wie auch die anderen Fachberater in den Kommunen des Landkreises – den Ergebnissen von Stiftung Warentest und den Lieferfirmen für Kindergartenfachbedarf. „Für die Schadstoffe bräuchte man fast ein Chemie-Studium, um sie alle beurteilen zu können.“ Einen harten Verbotskurs fährt Silke Gustmann bei Kinderschminke-Produkten. „Sie sind nahezu alle bleihaltig.“

Verbote hat das Staatliche Schulamt Ludwigsburg bisher nicht ausgesprochen – ebenso wenig wie Empfehlungen an Grundschulen, welche Stifte zum Einsatz kommen sollten. „Wir dürfen das aus Gründen der Wettbewerbsneutralität nicht“, sagt die Leiterin Sabine Conrad. Grundsätzlich regelten Bildungspläne und Listen, welche Arten von Materialien im Fach Kunst/Werken verwendet werden dürfen.

Grundschulen gehen unterschiedlich mit Stiften um

Mit Stiften werde von Schule zu Schule unterschiedlich umgegangen, berichtet eine altgediente Lehrerin aus Kornwestheim, die anonym bleiben möchte. „Mir haben die Schüler leid getan, deren Buntstifte immer abgebrochen sind und viele Schmierereien mit billigen Stiften hatten.“ Von Filzstiften habe sie den Eltern ganz abgeraten. „Die stinken und schmieren, und sie machen ein Heft schnell unansehnlich.“

Einen hohen Anspruch verfolgt nach eigenen Angaben das Unternehmen Pelikan, zu dem seit 2014 auch Herlitz gehört. „Wir überwachen unsere Produkte durch regelmäßige Prüfungen bei akkreditierten Prüflaboren“, sagt eine Sprecherin. Dabei orientiere sich Pelikan insbesondere an den Vorgaben der EU-Spielzeugrichtlinie 2009/48/EG.

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag gemacht

Offenbar reicht diese Richtlinie aber noch nicht aus. Einen besseren Schutz strebt die Europäische Kommission an. Sie habe einen Vorschlag für eine neue Spielzeugrichtlinie unterbreitet, der auf EU-Ebene beraten werde, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg mit. In der neuen Richtlinie sollen bisher noch nicht berücksichtigte, besonders besorgniserregende Stoffe, wie etwa endokrine Disruptoren oder Stoffe, die das Immunsystem, das Nervensystem oder die Atemwege schädigen, verboten werden.

Sollte die neue Verordnung EU-weit gelten, würde sie natürlich auch hierzulande durchgesetzt. Die Marktüberwachung im Land Baden-Württemberg unterliegt dem Regierungspräsidium Tübingen. Deren Kontrolleure rückten jedoch bei ihren Jahresschwerpunktaktionen bisher nicht wegen Buntstiften aus, sagt eine Sprecherin. Stattdessen seien Geschossspielzeug, Spielzeug aus Schaumstoff, schallerzeugendes Spielzeug, Masken und Perücken, Kinderlaufräder und Nestschaukeln geprüft worden.

Schärfere Vorgaben durch die EU?

Verordnung
 Die EU-Kommission will mit einer neuen Verordnung für mehr Sicherheit bei Spielzeug sorgen. Die Kriterien für gefährliche Stoffe sollen erheblich verschärft werden, teilt eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums mit. So sollen etwa die Grenzwerte an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst werden. Wann die Verordnung in Kraft tritt, stehe noch nicht fest.

Änderung
Bisher sind krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe in Spielzeug verboten. Hinzu kommen Stoffe, die als hormonell schädigend gelten und toxisch in Organen wirken. Die Grenzwerte für Stoffe in Spielzeug, das für Kinder unter 36 Monaten bestimmt ist oder in den Mund genommen werden könnte, soll für alle Spielzeuge gelten.