Kompassquallen (Chrysaora hysoscella) schweben in einem Aquarium im Meereskundesmuseum Ozeaneum in Stralsund. Quallen gehören zu den ältesten Lebewesen im Meer und existierten schon im Erdzeitalter des Kabriums (541 bis vor 485 Millionen Jahren). Sie überlebten auch das Massensterben im Silur. Foto: Imago/photo2000

Vor 443 Millionen Jahren es zu einem globalen Massensterben auf der Erde. Ein Großteil des Lebens in den Ozeanen wurde ausgelöscht. Doch zugleich ermöglichte der Tod vieler Lebewesen überhaupt erst die Entstehung neuer Ökosysteme und Arten.

443 Millionen Jahre alte Spuren im Schiefergestein sollen Belege für ein großes Massensterben in der Erdgeschichte sein. Es war die erdgeschichtliche Epoche des Silur, die von etwa 443 Millionen Jahren bis vor 417 Millionen Jahren andauerte. Die Sedimente sind im oberfränkischen Ludwigsstadt gefunden worden, wie das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) am Dienstag (1. August) mitteilte.

Rätselhaftes Katastrophe löschte fast alles Leben im Meer aus

Bei Bauarbeiten in der Stadt an der Grenze zu Thüringen seien Geologen in einer freigelegten Straßenböschung auf die alten Belege gestoßen. „Damals lag die Gegend um Ludwigsstadt komplett unter Wasser und war Teil eines riesigen Ozeans“, sagt Roland Eichhorn, der Leiter des Geologischen Dienstes am LfU.

Eine bis heute rätselhafte Katastrophe hatte plötzlich fast alles Leben im Meer ausgelöscht. Jetzt ist es lauf LfU zum ersten Mal gelungen, die Spuren dieses Massensterbens auch in bayerischen Gesteinen nachzuweisen.

Mit einem Bagger wird das Schiefergestein weiter freigelegt, damit LfU-Geologen mit einem speziellen Diamantbohrer Gesteinsproben für weitere Untersuchungen entnehmen konnten. Anhand dieser Proben soll auch geprüft werden, wie die Fundschicht als Geotop für die Öffentlichkeit erhalten werden kann.

Torsten Hahn, der zuständige Landes-Geologe am Landesamt für Umwelt und Entdecker der 443 Millionen Jahre alten versteinerten Belege Foto: L/FU

Finger markiert das versteinerte Zeugnis aus orange-bräunlichem Schiefer Foto: L/FU

Klimaerwärmung als möglicher Auslöser des Massensterbens

„Die Gesteine sind uralt und dennoch brandaktuell“, erklärt Geologe Eichhorn. Nun würden sie in Kooperation mit der Uni Freiberg genauer untersucht, um so Rückschlüsse zu gewinnen, wie es zu dem Massensterben kam. „Forscher vermuten, dass damals eine weltweite deutliche Klimaerwärmung der Auslöser dieser Katastrophe war.“

Vor 443 Millionen Jahren habe sich alles Leben im Ozean abgespielt. Landbewohner habe es noch keine gegeben, teilt das Bayerische Landesamt für Umwelt mit. Jüngste Forschungsergebnisse ließen vermuten, dass gewaltige Vulkanausbrüche Unmengen an klimawirksamen Treibhausgasen in die Atmosphäre schleuderten.

Es sei demnach zur Klimaerwärmung gekommen, wodurch sich die Ozeane aufgeheizt hätten, der darin gelöste Sauerstoff entwichen sei und die Meeresbewohner im wahrsten Wortsinn erstickt seien. Rund 85 Prozent aller Tierarten, darunter viele Muscheln, Korallen und Stachelhäuter seien damals ausgestorben.

Massensterben in der Urzeit ermöglichte späteres Leben

Bereits 2020 hatten Wissenschaftler ein großes Massensterben identifiziert, das vor rund 233 Millionen Jahren zur Entstehung neuer Ökosysteme führte. Höchstwahrscheinlich verursachten massive Vulkanausbrüche im heutigen Westen Kanadas das als „Karnische Krise“ bezeichnete Ereignis.

Das berichtete im September 2020 eine Forschergruppe um Michael Benton von der Universität Bristol und Jacopo Dal Corso von der China University of Geosciences in Wuhan.

Die Forscher schreiben im Titel der Studie von der „Extinction and dawn of the modern world in the Carnian“ – der „Dämmerung der modernen Welt im Karnium“. Das Team von 17 Wissenschaftlern analysierte zahlreiche neue und ältere Daten zu chemischen Elementen und Fossilien und berichtet über die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Science Advances“.

Massensterben förderte Ausbreitung der Dinosaurier

Die Karnische Krise hatte unter anderem zur schnellen Ausbreitung der Dinosaurier geführt. Zudem seien Nadelhölzer und viele andere Artengruppen emporgekommen, die heutige Ökosysteme dominieren. Geochronologisch umfasste das Karnium den Zeitraum vor etwa 235 bis etwa 228 Millionen Jahren.

„Die Eruptionen waren so groß, dass sie gewaltige Mengen an Treibhausgasen in die Luft bliesen“, schriebt Dal Corso in der Studie. Dies hat nach Angaben der Forscher eine globale Erderwärmung zur Konsequenz gehabt.

Dramatisches Artensterben durch Erderwärmung

Auf die Erderwärmung folgte eine Phase mit erhöhten Niederschlägen, die etwa eine Million Jahre dauerte. Der Klimawandel verursachte einen massiven Verlust an biologischer Vielfalt. Im Meer etwa verschwanden der Studie zufolge 33 Prozent der Gattungen.

Doch danach breiteten sich neue Pflanzen- und Tierarten aus. Dies galt besonders für die Dinosaurier, aber auch für andere Tiere wie etwa die ersten Schildkröten, Krokodile, Eidechsen und auch die ersten Säugetiere.

„Wir wissen, dass die Dinosaurier bereits rund 20 Millionen Jahre vor diesem Ereignis entstanden sind“, so Benton. Doch sie seien zunächst recht selten und unbedeutend gewesen. Das nach der feuchten Zeit plötzlich eintretende trockenere Klima habe ihnen „ihre Chance“ gegeben.

Im Meer erfolgte den Forschern zufolge der Beginn moderner Korallenriffe sowie vieler moderner Planktongruppen, was auf tief greifende Veränderungen in der Chemie der Ozeane hindeute.

Fünf Massensterben in der Erdgeschichte

Bisher hatten Paläontologen laut Dal Coroso in den vergangenen 500 Millionen Jahren der Erdgeschichte fünf große Massensterben identifiziert. Jedes davon habe einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Erde und des Lebens gehabt.

„Wir haben ein weiteres großes Aussterben identifiziert, das offensichtlich maßgeblich dazu beigetragen hat, das Leben an Land und in den Ozeanen zurückzusetzen und die Ursprünge moderner Ökosysteme zu markieren.“