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Günther Oettinger ist der neue Publikumsliebling bei You Tube.  Nutzer lachen über sein Englisch

Brüssel/Stuttgart - Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis es Günther "The Swabian" Oettinger zum Publikumsliebling bei You Tube schafft. Jetzt ist es passiert. Nicht mit einer brillanten Haushaltsrede oder spaßigen Aktivitäten außerhalb seiner Kernarbeitszeit. Sondern mit seinen Englischkenntnissen, die der angehende EU-Kommissar selbst als "sicher in der Gesprächsführung" beschreibt. Einzig Schwächen bei "einigen Fachbegriffen" gesteht er ein.

Tausende Nutzer haben sich auf der Internet-Plattform nun Gehör davon verschafft - die meisten dürften zu einer anderen Einschätzung gelangt sein. Der Mitschnitt vor Gästen der Columbia University im Dezember in Berlin, von den Machern des Videos im Stile der "Wir-können-alles-außer-Hochdeutsch-Kampagne" aufbereitet, legt Oettingers Schwächen in der englischen Gesprächsführung gnadenlos offen.

Vor allem die Aussprache. Auf das elementare "th" verzichtet er fast durchgängig. Dafür wendet er es an, wo es nicht hingehört, zum Beispiel in "liberalization". Wenn er von "Europe" spricht, klingt es, als müsste er aufstoßen; Wörter wie "justifiable" erweisen sich als unaussprechbare Hürde. Seine generelle rhetorische Schwäche, Reden mit Melodie zu versehen, schlägt hier voll durch. So gerät das vom Blatt Abgelesene zu einem unverständlichen Schwall, der den Verdacht nahelegt, dass nicht nur Akzent und Fachbegriffe das Problem sind, sondern die Fremdsprache an sich. Oder um es mit dem Noch-Ministerpräsidenten zu sagen: "In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting in one boat."

Die Fakultät für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft an der Uni Mainz hatte ihren Spaß mit dem Video, das Radiosender am Dienstag gnadenlos ausschlachteten. "Ich würde ihn in einer Anfängergruppe einstufen", sagt Melanie Arnold, die unter anderem Englisch für Senioren unterrichtet. Das Gehörte sei "schon heftig". Die Sprachtrainerin hatte das Gefühl, dass er das Vorgelesene überhaupt nicht verstanden hat. "Das erschwert natürlich auch die Aussprache." Zu den größten fonetischen Defiziten des Schwaben zählt sie neben dem nicht vorhandenen "th" ein "völlig falsches Betonungsmuster". Ihre Erklärung: Sprechwerkzeuge wie Kiefer und Gaumen färben sich mit der Zeit in der Muttersprache ein. So lässt mit zunehmendem Alter die Imitationsfähigkeit für andere Laute nach. Doch die Dozentin macht dem 56-Jährigen auch Hoffnung: "Noch ist nichts verloren."

Oettingers Sprecher Christoph Dahl räumte ein: "Die Aussprache kann man verbessern. Herr Oettinger arbeitet daran und nimmt es mit Humor." Bei seinem Job seien aber zuallererst inhaltliche Fragen von Bedeutung. So sieht man es auch in Brüssel. Dort wurde das Video mit einer Mischung aus Verwunderung, Schmunzeln und Kopfschütteln registriert. "Eine ganz billige Nummer und eine spezielle Art von Humor", kritisierte die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle. Natürlich müssten die Kommissionsmitglieder "ständig an ihren Fremdsprachenkenntnissen arbeiten, weil dies eine Daueraufgabe ist", aber Oettinger spreche "besser Englisch", als dies in dem Video dargestellt werde. Gräßle glaubt, dass die Urheber "in englischsprachigen Kreisen sind, wo die Deutschfreundlichkeit überschaubar ist. Es gibt offenbar Menschen, die Oettinger und Deutschland die Berufung als Kommissar nicht gönnen." Zugleich forderte sie die Verfasser auf, "ihre Kampagne einzustellen". Was dort seit Wochen betrieben werde, sei "ehrenrührig, unmenschlich und geschäftsschädigend". Auch der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer mochte dem Video keine allzu große Bedeutung beimessen und reagierte süffisant auf Englisch: "It's nice to be important, but it's more important to be nice." Natürlich, so Theurer, sei "die Sprachkompetenz wichtig, damit ein Thema transportiert wird, nicht die Aussprache". Es gebe in Brüssel viele prominente Politiker, "die mit starkem Akzent sprechen". Auch Theurer betonte, dass er Oettingers Englisch-Kenntnisse deutlich höher einschätzt, als dies im Video transportiert wird: "Ich habe ihn mal in London eine halbe Stunde frei Englisch reden hören. Das muss man erst mal hinbekommen."

Doch Europa heißt ja nicht gleich englisch. Die EU zählt 23 Amtssprachen, für offizielle Gespräche erhält der Kommissar Dolmetscher. Wobei Oettingers heimliche Passion ohnehin einer anderen Sprache gilt: "Ich will auch erreichen, dass ich Französisch nicht nur parlieren kann und gut verstehe, sondern auch gut fachlich beherrschen lerne", sagte er nach seiner Ernennung im Herbst.