Fußballfans aus Schottland: Stuart Anderson, Neil Dick, Billy Bell, Jonny Dreczkowski und Chris Cunningham (v.l.). Foto: LICHTGUT/Zophia Ewska

Der Platzregen am Samstag hat kurzzeitig zur Schließung der Fanmeilen in Stuttgart geführt. Die schottischen Fans haben sich vom feuchten Wetter nicht abschrecken lassen und haben das gemacht, was sie am besten können: gute Stimmung verbreiten.

Sie haben eine harte Nacht hinter sich. Billy Bell (54), Neil Dick (51) und Chris Cunningham (54) sind am Samstagnachmittag mit ihren Freunden nach Stuttgart gefahren, um die Spiele der EM zu verfolgen und vor allem, um die schottische Nationalmannschaft am Sonntagabend bei der Partie gegen Ungarn in Stuttgart zu unterstützen. Den Abend zuvor hatten sie in Frankfurt verbracht. Es sei eine kurze Nacht gewesen, erklärt die Gruppe einhellig. Der Stimmung tut das ebenso wenig einen Abbruch wie der Regen, der sich am Mittag über Stuttgart ausbreitet. „Du kannst nur einmal nass werden“, sagt Billy Bell. Einen Regenschutz hat keiner dabei. Das Wetter erinnere sie ein wenig an den Sommer in Schottland. Bloß ein wenig langweilig sei der Regen in Deutschland, findet Dick. Das Nass komme nämlich nur von oben. In Schottland komme der Regen oft aus allen Richtungen.

Schottische Party vor dem Königsbau

Die Gruppe stammt aus dem schottischen Stirling. Von Edinburgh seien sie vor wenigen Tagen nach Frankfurt geflogen, wo sie sich eingemietet haben. Mit dem Zug seien sie nach Stuttgart gefahren, berichtet Bell. Wo und wie sie die Nacht verbringen werden, wissen sie noch nicht. „Mal sehen, was passiert“, sagt der Fußballfan. Womöglich wird es die zweite Nacht ohne Schlaf für die Gruppe, die vom Bahnhof im Regen eilig zum Schlossplatz läuft. „Wir bleiben wach“, kündigt Cunningham bereits am Nachmittag und kurz nach der Ankunft in Stuttgart an. Am Schlossplatz ist erst einmal Zeit für eine Rast unter dem Dach des Königbaus. Und Zeit für ein Bier ist dann auch erst einmal. Das deutsche Bier sei gut, weil es nur aus natürlichen Zutaten hergestellt werde, meint Bell. Vermutlich sei es sogar gesund.

Überall in der Stadt machen am Samstag die schottischen Fans mit ihren blauen Trikots und manch einer sogar mit einem Kilt, der Nationalkleidung der Schotten für Männer, in der Stuttgarter Innenstadt auf sich aufmerksam. Dudelsäcke haben aber nur wenige dabei. Viele der Fußballfans kommen über den Mittag und Nachmittag am Hauptbahnhof an und laufen von dort mit ihrem Gepäck zu einer Unterkunft – oder eben erst einmal in die Innenstadt.

Nicht alle haben ein Ticket fürs Spiel. Die meisten werden das Spiel in einem Biergarten, einer Kneipe oder im Stadtgarten verfolgen. Mit der Leistung der schottischen Nationalmannschaft sei man nicht so ganz zufrieden, berichtet Neil Dick. Es sei die Technik der Spieler, die es zu verbessern gelte. Dass die schottische Nationalmannschaft eine Chance auf den Titel hat, das glaubt er eher nicht. Wohl auch deshalb geht es nach der Vorrunde wieder nach Hause. Der Flug ist bereits gebucht.

Die Gemeinschaft unter den schottischen Fans ist trotzdem groß. Man grüßt sich und klopft sich gegenseitig auf die Schulter, auch wenn man sich gar nicht kennt. Das Tragen des blauen Nationaltrikots verbindet. „Fans for Life“, also „Fans fürs Leben“, seien sie, wie Chris Cunnigham sagt. Die Stimmung bei dieser EM sei toll, ergänzt Bell. Einen kleinen Seitenhieb auf die Engländer gibt es beim Thema Fußball aber natürlich trotzdem. Die englischen Fans seien dieses Mal weniger aggressiv als in der Vergangenheit, findet Bell. Das liege wohl daran, dass die Leistung der englischen Elf bislang eher peinlich gewesen sei, erklärt er gut gelaunt.

Den Männerausflug hat die Gruppe gut vorbereitet. „Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich kurz Brot und Milch kaufen gehe“, sagt Bell augenzwinkernd. Neil Dick hat sich ebenfalls eine gute Legende für sein tagelanges Fernbleiben zurechtgelegt. Er habe zuhause angerufen und mitgeteilt, dass er eine Autopanne habe. Tickets für das Stadion hätten sie nicht. Die Spiele verfolgen sie über die Leinwände, die an vielen öffentlichen Plätzen und in Bars und Cafés aufgebaut sind. Für Bell ist es aber nicht allein das Verfolgen der Fußballspiele, die die Reise nach Deutschland mit den Freunden ausmacht. „Es gibt immer eine Verbindung zu den Menschen“, sagt er. Die geteilte Leidenschaft für den Sport sorgt länder- und sprachenübergreifend für Begeisterung. Er möchte Spaß haben, neue Leute und ihre Geschichten kennenlernen, wie er sagt.