Wie viele Menschen sind tatsächlich auf der Königstraße unterwegs. Inzwischen gibt es dazu verlässliche Daten. Foto: Lichtgut/Willikonsky

Seit wenigen Wochen wird die Masse der Menschen auf den großen Einkaufsmeilen der Republik erstmals digital und dauerhaft erfasst – auch in Stuttgart. Das hat Gründe.

Stuttgart - Am Samstag waren auf der Königstraße genau 93 215 Menschen unterwegs – zwischen 15 und 16 Uhr waren es 9088. Auf der Schildergasse in Köln waren es zur selben Zeit 8730 Passanten, 11 738 auf der Neuhauser Straße in München, 1855 auf der Rathausgasse in Freiburg. Wie sich das so genau sagen lässt? Auf 26 großen Einkaufsstraßen in Deutschland wird die Zahl der Passanten seit wenigen Wochen mithilfe von Lasern erfasst – darunter sind mehrere Standorte auf der Stuttgarter Königstraße. Die Daten werden kostenlos und für Jedermann zugänglich ins Internet gestellt.

Während im Handel der größte Umbruch der vergangenen Jahrzehnte stattfindet, kommt Zahlen wie der Frequenz auf den großen Einkaufsmeilen besondere Bedeutung zu. Um so erstaunlicher ist es, wie simpel diese Größe in der Vergangenheit ermittelt wurde. „Bislang haben Mitarbeiter großer Maklerbüros an bestimmten Stunden im Jahr mit einem Klickzähler von Hand versucht, die Frequenzen zu erfassen“, berichtet Nico Schröder, Chef des Unternehmens hystreet.com, welches die digitalen Passantenzahlen erfasst. Er fügt hinzu: „Diese punktuellen Zählungen haben aber nur eine geringe Aussagekraft.“ Meist haben die Makler bundesweit am selben Tag gezählt. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht, ungeachtet ob es in Stuttgart regnete und in Hamburg die Sonne schien, ob in München Konzerte die Menschen in die City lockten oder in Köln Staus potenzielle Kunden von der Fahrt in die City abhielten.

Extrem wichtige Daten

Die neuen Laser sind kaum zu erkennen. Es sind kleine Kästchen, die an den Dächern oder Fassaden der Häuser angebracht werden. Die genau Standorte will hystreet.com nicht publik machen. Über die Technik sagen die Datensammler hingegen mehr. „Der Laser legt eine Zähllinie quer über die Straße“, erklärt Schröder, der selbst 15 Jahre mit der Vermietung von Handelsimmobilien beschäftigt war. Erfasst wird alles ab einer Höhe von 80 Zentimetern, sofern der Laser einen Kopf und Schultern ertasten kann – Hunde sollten somit nicht als Passanten durchgehen. Mit Blick auf den Datenschutz sehen die Macher keine Probleme, da keinerlei persönliche Daten erfasst würden. „Es geht allein um die Gesamtzahl“, so Schröder.

„Diese Daten könnten extrem wichtig sein“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Banden-Württemberg, Sabine Hagmann. Die Umsätze würden von Händlern stündlich erfasst und mit dem Vorjahr und anderen Vergleichtagen abgeglichen. Jetzt die Möglichkeit zu haben, das mit der tatsächlichen Frequenz zu vergleichen, sei ein großer Vorteil für die Händler. Speziell in Stuttgart seien diese Werte interessant, da sich unter anderem durch den Bau der großen Einkaufszentren und des Dorotheen Quartiers die Laufwege spürbar verändert haben, so Hagmann.

Kein kleines Start-up

Erfahrene Makler bestätigen das: „Die Passantenfrequenz ist nach wie vor der wichtigste Indikator für das Umsatzpotenzial der stationären Einzelhändler, die ein breites Publikum ansprechen und überwiegend von Impulskäufen leben“, sagt Jürgen Track, der beim Immobilienberater Colliers International in Stuttgart im Bereich Handel tätig ist. Und: „Grundsätzlich gilt; je höher die Passantenfrequenz eines Standortes und damit das Umsatzpotenzial des Händlers desto höher der Bodenwert und damit der Mietzins“, so Track.

Hystreet.com ist kein kleines Start-up, sondern ein Tochterunternehmen der Aachener Grundvermögen, einem der größten Kapitalanleger der Republik. Die Gesellschaft verwaltet 17 Immobilienfonds mit einem Volumen von rund sieben Milliarden Euro. Über sich selbst sagt das Unternehmen: „Anlageschwerpunkt sind innerstädtische Einzelhandelsimmobilien.“ Nach Informationen unserer Zeitung gehören auch zahlreiche Objekte in Stuttgart dazu – unter anderem die Königstraße Nummer 38, wo sich derzeit der Laden des Werkzeugherstellers Würth befindet oder die Hausnummer 41, wo aktuell noch der Juwelier Wempe seinen Sitz hat.

In Stuttgart soll es weitere Laser geben

Auf die Frage, warum das Unternehmen derart begehrte Daten kostenlos zur Verfügung stellt, antwortet Schröder: „Wir wollen Transparenz schaffen und beweisen, dass sich noch viele Menschen in den Einkaufsstraßen unterwegs sind.“ Ziel sei es, von 26 auf 100 Standorte in Deutschland zu wachsen, an denen Laser die Zahl der Passanten messen. In Stuttgart sollen weitere Laser hinzukommen, etwa an der Stiftstraße, dem Eingang zu Stuttgarts Quartier der Luxusmarken.

Verbandschefin Hagmann glaubt: „Das ist eine Investition in die Zukunft.“ Das Unternehmen schaffe mit den Daten direkte Verbindungen zu seinen Kunden und den eigenen Mietern. Und: „Wer relevante Daten sammelt, kann damit später auf jeden Fall Geld verdienen“, erklärt Hagmann. Jürgen Track glaubt: „Die Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien sehen sich immer öfter mit Forderungen ihrer Mieter nach Mietreduzierungen konfrontiert.“ Als Hauptargument der Händler diene dabei der angebliche Frequenzverlust. Daher seien große Vermieter wie die Aachener Grundvermögen an genauen Zahlen zu diesem Thema sehr interessiert.