Vize-Regierungschef Thomas Strobl und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, hier im Gespräch mit Daimler-Chef Dieter Zetsche (von rechts), müssen beim Fahrverbot nacharbeiten. Foto: dpa

Die Landesregierung muss den Entwurf des Luftreinhalteplans für Stuttgart nachbessern. Die Urteile zu den Diesel-Fahrverboten sehen für die Politik „keinen Handlungsspielraum“ vor.

Stuttgart - Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der grün-schwarzen Landesregierung mit dem Beschluss für ein Zwangsgeld eine exakte Bauanleitung für das Diesel-Fahrverbot auch für Euro-5-Fahrzeuge geliefert. Der 20 Seiten starke Beschluss liest sich wie eine Handlungsanweisung für den juristischen Laien.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Vizeregierungschef Thomas Strobl (CDU) wollen das Thema Fahrverbot für Euro 5 im nächsten Luftreinhalteplan für Stuttgart komplett ausklammern. Die Regierung würde so das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts und damit das Rechtsstaatsprinzip missachten. Die weit über dem Grenzwert liegende Stickstoffdioxidkonzentration könnte nicht genügend gesenkt werden.

CDU-Fraktion will Urteil ignorieren

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat zur Durchsetzung des Urteils ein Zwangsgeld von 10 000 Euro gegen das Land gefordert. Das Verwaltungsgericht hat das angedroht und dem Land eine Frist zur Korrektur des Luftreinhalteplans bis zum 31. August gesetzt. Doch es gibt noch eine zweite, kürzere Frist. Wenn die Regierung dem Beschluss nicht folgen will, muss sie innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einlegen. Diesen Weg will CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart gehen. Grünen-Fraktion und Regierung halten sich dazu bisher bedeckt.

Die Stuttgarter Richter machen im Beschluss deutlich, dass es beim Fahrverbot nach den eindeutigen Urteilen nicht um politisches Taktieren gehen kann. Mehrfach heißt es, es bestehe „kein rechtlicher Handlungsspielraum“, das Land könne ihn auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts herleiten. Der von der Regierung in einer Besprechung bei Gericht vorgelegte Luftreinhalteplan wäre rechtswidrig, Grün-Schwarz würde gegen das Urteil verstoßen, warnt die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts.

Benziner dürfen ausgenommen werden

Die drei Berufsrichter bauen Kretschmann und Strobl aber Brücken. Erstens erkennen sie an, dass Benziner vom Fahrverbot verschont werden. Das sei „aufgrund neuer Erkenntnisse rechtlich unbedenklich“, denn ihr Beitrag zum Minderungspotenzial läge unter einem Mikrogramm. Von einem Verbot für Benziner unter Euro 3 könne daher abgesehen werden.

Die von der Regierung beabsichtigte stufenweise Einführung des Fahrverbots für Diesel bis einschließlich Euro 4 für Pendler ab 1. Januar 2019, für Anwohner ab 1. April, sei zu unbestimmt. Wenn das Land Stufen wolle, müsse es nachweisen, dass die Verzögerung bis April die Absenkung der Schadstoffwerte „lediglich in einem vernachlässigbaren Umfang verringert“.

Nachrüstung hilft nur sehr bedingt

Das Land könne wie beabsichtigt nachgerüstete Fahrzeuge vom Fahrverbot ausnehmen. Aber nur, wenn diese Hardware- oder Software-Nachrüstungen zur Einhaltung der Abgasnorm Euro 6 führten. Updates zur Beseitigung einer „bisher nicht regelkonformen Motorsteuerung-Software“ rechtfertigten keine Befreiung vom Fahrverbot.

In Sachen Euro 5 gibt es kein Vertun. Das Verkehrsverbot für Fahrzeuge dieser Schadstoffklasse müsse in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, frühester Zeitpunkt für die Umsetzung wäre September 2019. Sollten die Stickstoffdioxid-Werte dann aber nur noch um zehn Prozent überschritten werden, könne das Verbot ausgesetzt werden. Dazu brauche es im Luftreinhalteplan eine „eindeutige Festlegung, bei welcher Überschreitung der Grenzwerte das Verkehrsverbot (noch) nicht in Kraft tritt“.

Schutz der Wohnbevölkerung

Eine bloße Absichtserklärung für Euro 5 reiche nicht. Mit dem jetzigen Plan falle das Land noch hinter die im Entwurf von Mai 2017 beschriebenen Verbote zurück. Damals war vom Euro-5-Verbot ab 1. Januar 2020 die Rede, durchgesetzt werden sollte es mit der Blauen Plakette, die aber von der Bundesregierung verweigert wird.

Weitere genannte Maßnahmen seien mittel- und langfristige Projekte ohne Wirkung bis Ende 2019 und somit „keine Luftreinhaltemaßnahmen im Rechtssinne“, sondern „inhaltlich unsubstanziierte Absichtserklärungen“. Das Land dürfe das Risiko nicht eintretender Emissionsminderungen nicht „weiterhin allein der betroffenen Wohnbevölkerung der Umweltzone aufbürden“.