Die Spritpreise kennen derzeit nur eine Richtung: nach oben. Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Freie Tankstelle in Marbach berichtet seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine von einem Zuwachs an Kunden , die zudem mehr tanken. Doch das ist nicht überall so.

Marbach - Die Schlange reichte am Dienstag von der Poppenweiler Straße bis zurück zum König-Wilhelm-Platz – nahezu den ganzen Tag über. Der Grund für den auch für Marbach ungewöhnlichen Stau waren nicht etwa ein Unfall oder eine Baustelle, sondern die Spritpreise an der Freien Tankstelle. Diesel war dort für knapp zwei Euro zu haben. „Das liegt daran, dass wir die Preisschwankungen anderer Tankstellen nicht mitmachen, sondern nach jeder Lieferung neu kalkulieren“, sagte die Chefin Gabriele Steinmaßl auf Nachfrage dieser Zeitung. Selbst aus Heilbronn seien Kunden gekommen. Viele Autofahrer informierten sich über Apps, wo man gerade am günstigsten tanken könne.

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Am Mittwoch waren die Preise auch an der Freien Tankstelle deutlich höher, weil inzwischen eine neue Lieferung gekommen war: „Die Kunden haben uns am Dienstag leergetankt“, erklärte Steinmaßl. Am Ende habe es kein E5 mehr gegeben, auch der Diesel sei weg gewesen, nur von E10 habe es noch ein kleines bisschen gegeben.

Verstärkter Zulauf aus Angst vor weiter steigenden Preisen

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine beobachtet sie einen verstärkten Zulauf an ihren Zapfsäulen. Die Leute hätten zwar keine Angst, dass es möglicherweise bald gar keinen Kraftstoff mehr gebe, aber dass die Preise noch weiter stark anstiegen.

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„Von einigen Kunden habe ich gehört, sie könnten sich bald kein Auto mehr leisten“, berichtete die Tankstellen-Chefin. Was sie ebenfalls mitbekommt: „Viele tanken jetzt voll, und die meisten Leute fahren weniger und überlegter, also erledigen mit einer Fahrt gleich mehreres auf einmal.“ Und die Tankwagenfahrer berichteten, sie seien Tag und Nacht unterwegs, weil die Nachfrage so hoch sei. Herbert Rabl, Pressesprecher des Tankstellen-Interessenverbands (TIV)mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße, beobachtet beim Tankverhalten ein „Sowohl – als auch“. „Die Leute hamstern schon ein bisschen“, sagte er. Es gebe aber nicht nur diejenigen, die den Tank füllten und möglichst noch ein paar Kanister dazu, sondern auch andere, die weniger als sonst zapften.

Stefanie Hassel von der Labag-Tankstelle in Marbach hat ebenfalls keine Hamsterkäufe registriert. Die Leute tankten eher weniger. „Aber das ist ja normal, wenn die Spritpreise so hoch sind.“ Auch von den Fahrern der Tanklaster hat sie nichts Ungewöhnliches gehört. Doch die hohen Spritpreise hätten einen für die Mitarbeiter ausgesprochen unangenehmen Nebeneffekt: „Die Kunden sind aggressiv. Sie suchen halt irgendjemanden, an dem sie ihre Wut über den Preisanstieg auslassen können, und da sind unsere Mitarbeiter eben vorne dran.“

Verärgerung über die Politik

Diese Aggression gegenüber den Tankstellen-Mitarbeitern kann der Sprecher des Tankstellen-Interessenverbands aber nicht bestätigen: „Das ist anders als bei Corona, wo wir quasi zur Polizei gemacht wurden. Natürlich gibt es Dialoge zwischen den Mitarbeitern und den Kunden. Der Tenor ist, dass die Situation ganz schwierig oder schrecklich ist, dass es aber wegen des Kriegs in der Ukraine nachvollziehbar sei.“ Viele sagten auch, die Politik müsse etwas tun.

Am schnellsten, so der TIV-Sprecher, sei die Wirkung, wenn die Mehrwertsteuer auf Sprit für das nächste halbe Jahr gesenkt oder sogar ganz abgeschafft werde. „Bei null Mehrwertsteuer würde der Liter bei den aktuellen Preisen um fast 40 Cent billiger.“

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Darum ist Diesel nun teurer als Benzin

Rabl hat auch zwei Erklärungen dafür, warum Diesel derzeit sogar noch teurer ist als Benzin, obwohl die Steuer darauf niedriger ist. Zum einen liege das an der Ähnlichkeit von Diesel und Heizöl und daran, dass viele Betreiber von Ölheizungen derzeit ihre Tanks auffüllten, weil sie fürchteten, dass es im nächsten Winter noch teurer werde. Zum anderen werde Benzin, anders als Diesel, raffiniert und habe deshalb größere Lagerkapazitäten und einen größeren Puffer.

Die Versorgungssicherheit sei aber nicht gefährdet, selbst wenn aus Russland kein Öl mehr komme. „Die Lager sind voll, und das russische Öl ist problemlos ersetzbar. Die arabischen Staaten weigern sich zwar, die Fördermenge zu erhöhen, weil sie so mit weniger Öl mehr verdienen, aber sie liefern.“ Weitaus problematischer ist es aus Sicht des TIV-Sprechers, möglicherweise ausfallende Gaslieferungen zu ersetzen.