Der Quarterback Robert Griffin III (mit Ball) strauchelt mit den Cleveland Browns gewaltig. Foto: AP

Die Misere der Cleveland Browns in der National Football League (NFL) will nicht enden – diese Saison dürften sie sogar alle Saisonspiele verlieren, als dritte Mannschaft seit dem Zweiten Weltkrieg.

Stuttgart - Die San Francisco 49ers sind zurzeit schlecht. Richtig schlecht. Im Februar 2013 standen sie noch im Superbowl, dem Endspiel um den Titel in der National Football League (NFL). Doch seit der Trennung von dem Erfolgstrainer Jim Harbaugh vor knapp zwei Jahren ging es für den fünfmaligen Meister steil bergab. Diese Saison gab es bisher nur einen Sieg und 13 Niederlagen. Eine Schreckensbilanz.

Der einzige Trost: Es gibt eine Mannschaft, die noch schlechter ist. Sonntag für Sonntag. Wenn es ums Verlieren geht, war in den vergangenen Jahren in der NFL kein Team zuverlässiger als die Cleveland Browns. Sie verlieren, an jedem verdammten Sonntag. Sie sind die Lachnummer der Liga – buchstäblich, über keinen Verein gibt es mehr Witze als über die Browns. Beispiel Nummer eins: „Was haben die Browns und die Post gemeinsam? Keiner von beiden liefert sonntags ab!“ Beispiel Nummer zwei: „Woher weißt du, dass die Polizei von Cleveland Geschwindigkeitsüberschreitungen ernsthaft ahndet? Beim ersten Vergehen geben die Beamten dir zwei Browns-Tickets. Und beim zweiten Vergehen zwingen sie dich, sie auch zu benutzen.“

Eintrittskarten werden für einen US-Dollar weiterverscherbelt

Die Browns-Fans, zu denen einst auch Elvis Presley gehörte, zählen zu den treuesten Anhängern überhaupt. Doch auch ihre ausgeprägte Leidensfähigkeit stößt mittlerweile an Grenzen angesichts von 14 Niederlagen in 14 Begegnungen. So wurden jüngst Eintrittskarten für Heimspiele für nur einen US-Dollar weiterverscherbelt. Die Cleveland Browns dürften zum dritten Club seit dem Zweiten Weltkrieg werden, der alle seine Saisonspiele verliert.

Die Tampa Bay Buccaneers von 1976 gelten als die schlechteste Mannschaft in der NFL-Geschichte, das Tasmania Berlin des American Footballs. Sie unterlagen damals in der ersten Saison nach ihrer Gründung in allen 14 Partien deutlich. Ihr Trainer John McKay ließ sich jedoch seinen Humor nicht nehmen: „Wir können zu Hause nicht gewinnen und auswärts genauso wenig – was wir brauchen, ist ein Spiel auf neutralem Boden!“ Und die Detroit Lions waren 2008 das erste Team, das in der NFL mit ihrem aktuellen Format (16 Begegnungen in der Hauptrunde) leer ausging.

Die Browns sind auf dem besten Wege, es ihnen gleichzutun. Sie stehen damit für das alte Cleveland – die Stadt, deren Profimannschaften nichts reißen. Die Cavaliers (Basketball) um den Heilsbringer LeBron James beendeten den sogenannten Cleveland-Sport-Fluch ja mit ihrem Titelgewinn in der NBA in diesem Jahr. Und die Indians (Baseball) erreichten vor wenigen Wochen immerhin das MLB-Finale, in dem sie den Chicago Cubs in einer epischen Endspielserie nur knapp unterlagen. Nur die Browns kommen nicht auf die Beine.

Die Browns warten auf ihren LeBron James

Seit der Rückkehr der Cleveland Browns in den Spielbetrieb 1999 (drei Jahre zuvor war der Vorgängerverein nach Baltimore umgezogen und hatte sich in Ravens umbenannt) gelang ihnen nur einmal der Sprung in die Play-offs, nur zweimal verbuchten sie seitdem mehr Siege als Niederlagen. In dieser Zeit verschlissen sie acht Trainer, was in der Fußball-Bundesliga ein normaler Wert sein mag, im American Football aber eine außergewöhnlich hohe Zahl ist. Mehr als zwei Dutzend Quarterbacks durften ihr Glück seitdem versuchen, wobei es immer beim Versuch blieb. Die Browns warten auf ihren LeBron James.

Vor dieser Saison wurden die Uhren angesichts der anhaltenden Misere seit dem Wiedereinstieg wieder einmal auf Null gestellt mit Hue Jackson als neuem Coach, die Mannschaft wurde extrem verjüngt. Ein Drittel der 53 Spieler sind Liganeulinge, die ihre Unerfahrenheit zu spüren bekommen. Die Rundumerneuerung mit Inkaufnahme von Niederlagen erinnert an eine beliebte Strategie zum Neuaufbau aus dem Baseball, was wohl kein Zufall ist.

Denn die Browns haben sich den Baseball-Mann Paul DePodesta für ihr Management-Team geangelt. Der 43-Jährige mit Harvard-Abschluss ist der Statistik-Guru aus dem – mit Brad Pitt verfilmten – Buch „Moneyball“, in dem es um den Erfolg der Oakland Athletics auf Basis besonderer analytischer Prinzipien („Sabermetrics“) geht. Vielleicht geht dank ihm in Zukunft irgendwann sonntags in Cleveland ja doch mal die Post ab.