Von wegen „Goldene Zwanziger“ – Joseph Roth ist der pessimistische Chronist einer düsteren Zeit. Foto: dpa

Der obrigkeitshörige Kriegsversehrte Andreas Pum gerät in die Mühlen der Justiz und wird kriminalisiert. Joseph Roths Roman „Die Rebellion“ hat auch fast 100 Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner bestürzenden Wirkung verloren.

Stuttgart - „Der Leierkasten gehört zum Gefolge des Krieges, wie Hunger und Pestilenz. In ihm verkörpert sich der Dank des Vaterlandes am vollkommensten. Wer Ohren hatte, konnte schon im Jahre 1914 aus dem Drommetengeschmetter der siegreichen Völker das Gedudel der Zerbrochenen hören.“ Dieses Stück kraftvolle Prosa von Joseph Roth könnte gleichsam das Motto seines Romans „Die Rebellion“ sein, den Ralph Schock für den Wallstein Verlag nach dem Manuskript herausgegeben hat.

Roth erzählt die Geschichte des obrigkeitshörigen, bigotten Weltkriegsveteranen Andreas Pum. Zwar hat der in der Schlacht ein Bein verloren, nicht aber das Selbstverständnis, dass er etwas Besseres sei als die anderen in seinem Lazarett – die gesichtslosen Krüppel, die Rückenmarksgeschädigten, die Zitterer. Pum blickt auf sie herab und rechnet sich eine einigermaßen kommode Zukunft als ordensdekorierter Inhaber eines Lädchens für Postwertzeichen aus.

In der Schlacht ein Bein verloren

Statt dieses „Briefmarkenverschleißes“ wird dann ein Leierkasten draus, der Pum seinen kargen Lebensunterhalt sichert. Eine behördliche Lizenz hat er, also darf er drehen, wo er will. Bis er eines Tages in der Tram an einen Herrn gerät, der den Veteranen für einen Simulanten hält. Es kommt zum Gerangel, Pum steht unversehens nicht mehr als Opfer, sondern als Täter da und gerät in die Mühlen der Justiz – ein Kleinkrimineller aus verlorener Ehre, wenn man so will.

Wie in vielen anderen seiner Romane und Feuilletons schildert Joseph Roth pessimistisch, welche Folgen der erste Weltkrieg für die Menschen hatte. Er schildert sie in hoffnungslosen Lagen, drangsaliert und gedemütigt von einer mitleidlosen Umwelt. Eine Trostlosigkeit, wie man sie auch bei Kafka und Canetti findet.

Drangsaliert und gedemütigt

So ist „Die Rebellion“ auch fast 100 Jahre nach ihrem Erscheinen ein großes Stück Literatur mit zeitloser Aussagekraft. Feuilletons wie das über „Berliner Bettelmusikanten“, aus dem das Eingangszitat stammt, sowie ein umfangreichen Anhang runden den 280-seitigen Band ab. Unbedingt lesenswert!

Joseph Roth: Die Rebellion. Roman. Nach dem Manuskript ediert und mit einem Nachwort herausgegeben von Ralph Schock. 280 Seiten, 24 Euro