An der Kirchheimer Straße sind momentan Archäologen des Landesdenkmalamts der Geschichte Dettingens auf der Spur. Foto: Horst Rudel

Im Zentrum der Gemeinde Dettingen verzögert sich der Bau einer Wohnanlage um gut zwei Monate. Grund dafür sind die Reste einer frühmittelalterlichen Siedlung, die auf dem Areal entdeckt wurden. Zurzeit arbeiten dort die Archäologen.

Dettingen - Eigentlich sollten an der Kirchheimer Straße in Dettingen, im Zentrum der Gemeinde, demnächst die Bagger röhren, um die Grube für eine Wohnanlage auszuheben. Doch stattdessen sind dort zurzeit Archäologen mit weitaus filigraneren Werkzeugen zugange. Denn auf dem rund 3500 Quadratmeter großen Grundstück sind laut Jonathan Scheschkewitz vom Landesamt für Denkmalpflege Siedlungsreste aus der Zeit des Früh- bis Hochmittelalters entdeckt worden. Sie auszugraben und zu dokumentieren werde bis Anfang Juli dauern.

Schon vor einigen Jahren waren in Dettingen Reste zweier alemannischer Gräberfelder gefunden worden. Außerdem hätten einige geschichtliche Schriftquellen Indizien dafür geliefert, „dass wir dort mit allem rechnen müssen“, sagt Scheschkewitz, der für die wissenschaftliche Grabungsleitung zuständig ist. Tatsächlich hätten zahlreiche Erdverfärbungen eine „dichte Befundkonzentration“ ergeben. Diese deute darauf hin, dass sich an der Stelle eine Siedlung befunden habe. Aufgrund der Hinweise auf die frühe Bebauung werde jetzt versucht, die Hausgrundrisse zu rekonstruieren.

Eine Gewand- oder Haarnadel ist ausgegraben worden

Die seit dem Grabungsbeginn am 9. März entdeckten konkreten Funde ließen sich freilich „an einer Hand abzählen“, räumt Scheschkewitz ein. Darunter befinde sich beispielsweise eine Gewand- oder Haarnadel, die er nach jetzigen Erkenntnissen der Zeit des 6. bis 7. Jahrhunderts zuordne. Entdeckt worden seien zudem einzelne Keramikfragmente, die aufgrund ihrer Beschaffenheit sogar vorgeschichtlicher Herkunft sein dürften, so Scheschkewitz. Die Geschichte Dettingens müsse deshalb zwar nicht umgeschrieben werden, denn auf eine so frühe Besiedelung deute das nicht hin. Aber für den Ort sei dieser Fund dennoch „hochinteressant“.

Für endgültige Einschätzungen sei es noch zu früh, schließlich dauerten die archäologischen Arbeiten noch bis 3. Juli an. An diesem Tag müsse die Baustelle geräumt sein, das sei mit dem Investor, der Dettinger Firma Wohnbau Birkenmaier so vereinbart worden. Hans-Peter Birkenmaier, einer von drei Geschäftsführern des Unternehmens, ist Jonathan Schweschkewitz zufolge vom Besuch der Archäologen zwar nicht erfreut, aber doch „sehr kooperativ“ gewesen.

Der Baubeginn verzögert sich um gut zwei Monate

Die Verzögerung des Baubeginns halte sich mit gut zwei Monaten „im Rahmen“, erklärt Hans-Peter Birkenmaier, der Verständnis für die Maßnahme bekundet. Was ihn jedoch geärgert habe sei, dass seine Firma die Kosten für die geschichtliche Ausgrabung übernehmen soll. Diese belaufen sich ihm zufolge auf rund 80 000 Euro. Dass diese der Investor tragen müsse, sei nicht einzusehen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Gemeinde Dettingen erklärt habe, sich an den Kosten zu beteiligen. Laut der Hauptamtsleiterin Claudia Dörner hat die Kommune in einer nicht öffentlichen Sitzung beschlossen, „für die reinen Grabungskosten einen angemessenen Betrag“ beizusteuern.

Birkenmaier weiß, dass er als Investor bei einem Grundstückskauf „gewisse Risiken eingeht“. Beispielsweise könnten geologische Unwägbarkeiten Zusatzkosten verursachen. Aber bei archäologischen Bodenfunden sehe er das nicht ein, schließlich kämen die vom Denkmalamt zusammengetragenen Ergebnisse der Öffentlichkeit zugute. Zudem würden offenbar nur Kommunen und Firmen, nicht aber private Bauherren zur Kasse gebeten. Seinen Unmut über die satte Rechnung habe er dem Landeswirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) schriftlich mitgeteilt. Die Behörde habe „lapidar geantwortet“, laut Gesetz müsse der Investor die Kosten übernehmen.

Auf dem Areal entstehen 28 barrierefreie Wohnungen

Das Ministerium erklärt auf Anfrage, es habe Birkenmaier mitgeteilt, für die anfallenden Kosten gelte das sogenannte Veranlasserprinzip: Wer wirtschaftlich aus einer Baugenehmigung Nutzen ziehen wolle, „ist finanziell für die Rettung dessen verantwortlich, was durch seine Tätigkeit in Mitleidenschaft gezogen wird“. In Baden-Württemberg werde das Prinzip „eigentümerfreundlich“ umgesetzt. Die Höhe der Beteiligung sei in der Regel auf einen Teil der tatsächlich anfallenden Kosten beschränkt. Und der liege deutlich unterhalb dessen, was in der Rechtsprechung schon als zumutbar erachtet worden sei.

Auf dem Areal an der Kirchheimer Straße 27-31 entstehen laut Birkenmaier drei Häuser mit 28 barrierefreien Wohnungen. Zudem beziehe in einem der Gebäude die Dettinger Seniorenhilfeeinrichtung „Forum Altern“ ihr neues Domizil. Im kommenden Juli soll mit dem Bau begonnen werden, Ende des nächsten Jahres sollen die Wohnungen bezugsfertig sein.