Baden-Württemberg geht nach Weihnachten in den Lockdown. Foto: dpa/Marijan Murat

Baden-Württemberg ist Corona-Hochburg. Weil immer mehr Menschen am Virus sterben, greift der Südwesten nun zur härtesten Maßnahme - selbst wenn andere Länder nicht mitziehen sollten. Formt sich eine Koalition der Willigen?

Stuttgart - Baden-Württemberg stemmt sich mit landesweiten Ausgangsbeschränkungen und einem Lockdown nach Weihnachten gegen die dramatisch steigenden Corona-Infektionen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte am Freitag an, dass das Land nach Weihnachten bis mindestens 10. Januar in den Lockdown gehen werde. Sofern keine bundeseinheitliche Lösung gefunden werden könne, werde der Südwesten eine gemeinsame Lösung mit den Nachbarländern Baden-Württembergs anstreben - also eine Art Koalition der Willigen bilden. Möglicherweise noch an diesem Wochenende beraten Bund und Länder noch einmal über ein gemeinsames Vorgehen. Wie genau der Lockdown im Südwesten aussehen soll, blieb zunächst offen.

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Bereits Anfang nächster Woche will das Land das öffentliche Leben weiter herunterfahren. So seien unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre sowie tagsüber Ausgangsbeschränkungen geplant, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur nach einem Gespräch der grün-schwarzen Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden am Donnerstag. Wer das Haus tagsüber verlässt, soll das demnach nur noch mit einem triftigen Grund tun, etwa für die Arbeit. Am Donnerstag hieß es noch, dass ganztägige Ausgangsbeschränkungen nur für Regionen mit mehr als 300 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in einer Woche geplant sind.

Sondersitzung am Freitag

Die neuen Auflagen will das Kabinett an diesem Freitag in einer Sondersitzung beschließen. Damit reagiert Ministerpräsident Kretschmann auf die stark steigenden Infektionszahlen und greift einer möglichen Absprache mit den Länder-Regierungschefs und der Kanzlerin vor. Als Starttermin für die Maßnahmen im Land ist der kommende Dienstag im Gespräch.

Allerdings muss noch geklärt werden, was unter einem triftigen Grund für das Verlassen des Hauses zu verstehen ist. Zuletzt war vor allem noch umstritten, ob nur noch das Einkaufen für den täglichen Bedarf ein triftiger Grund sein soll. Das würde bedeuten, dass der Einzelhandel bis auf Lebensmittelgeschäfte schließen müsste. Geklärt werden muss zudem die Frage, ob die Schulen nun doch schon nächste Woche geschlossen werden sollen, wie es etwa Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte sich zuletzt vehement gegen eine solche flächendeckende Maßnahme gewehrt.

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Der bisherige Teil-Lockdown seit November entfaltet nicht die erhoffte Wirkung. Derzeit gilt noch bis zum 23. Dezember, dass sich lediglich bis zu fünf Personen aus nicht mehr als zwei Haushalten treffen dürfen. Kinder unter 15 Jahren werden nicht mitgezählt. Die Maskenpflicht gilt unter anderem im Öffentlichen Nahverkehr und im Handel, vor Einkaufszentren, Ladengeschäften und Märkten. Generell muss überall Maske getragen werden, wo der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann - etwa in stark besuchten Fußgängerbereichen wie Einkaufsstraßen.

Lockerungen an Weihnachten stehen auf der Kippe

Ob die geplante Lockerung über Weihnachten bestehen bleibt, steht ebenfalls infrage. Vom 23. bis zum 27. Dezember sollten sich eigentlich zehn Personen treffen dürfen, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad und der Zahl der beteiligten Haushalte.

„Die Lage ist leider alarmierend“, teilte Kretschmann am Freitagmorgen mit. „Wir haben Anzeichen für eine erneute exponentielle Zunahme der Neuinfektionen, deshalb müssen wir zwingend die Maßnahmen drastisch verschärfen.“ Landesregierung und Kommunen kämen gemeinsam zu der Einschätzung, dass ein harter Lockdown nach Weihnachten bis mindestens zum 10. Januar unerlässlich sei.

Zahl der Neuinfektionen steigt stetig an

Kretschmann sagte, er werde sich auf der für Sonntag anberaumten Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin für einen solchen Schritt einsetzen. Falls man sich nicht auf eine einheitliche Lösung einige, schreite der Südwesten mit den Nachbarländern voran.

Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen im Südwesten war zuletzt innerhalb eines Tages um 4208 Fälle auf insgesamt 179 154 Ansteckungen seit Beginn der Pandemie gestiegen. Landesweit lag der Wert für Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen bei 168,8 und damit nochmals höher als an den Vortagen. In Baden-Württemberg lebt inzwischen fast jeder vierte Mensch in Corona-Hotspots mit ausufernden Infektionszahlen - also Regionen mit mehr als 200 Neuinfizierten je 100 000 Einwohner binnen einer Woche. In mehreren Stadt- und Landkreisen gelten wegen der Überschreitung dieser Marke bereits schärfere Maßnahmen als die landesweiten Regelungen im Kampf gegen die Pandemie.