Der ADFC Filder kritisiert unter anderem die unübersichtliche Verkehrssituation an der Stuttgarter Straße in Leinfelden. Foto: z/privat

Fahrradaktivisten von den Fildern haben sich einer bundesweiten Initiative angeschlossen und fordern dazu auf, den Rad- und Fußverkehr pandemietauglich zu machen. Darauf gibt es bereits eine erste Reaktion.

Leinfelden - Menschen erkranken, Firmen, Läden und Restaurants drohen pleite zu gehen, und immer mehr Familien verzweifeln bei dem Versuch, Kinderbetreuung und Homeoffice zu vereinbaren. Das Wort „unangenehm“ wäre eine Untertreibung für die Folgen des Coronavirus. Bei all dem hilft es, gelegentlich einen Blick auf positive Effekte zu werfen: Der Verkehr hat in den vergangenen Wochen stark abgenommen, die Umwelt erholt sich. Staus gibt es kaum noch, die Meldungen im Radio sind nach kurzer Zeit erledigt. Und immer mehr Menschen legen Wege mit dem Rad oder zu Fuß zurück, um in Bus oder Bahn anderen nicht zu nahe zu kommen.

Das sind erst einmal gute Nachrichten. Doch im Alltag stellt sich heraus, dass nicht alle Fuß- und Radwege darauf ausgelegt sind, dass die Menschen dort den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten. Deshalb haben etliche Initiativen, darunter die bundesweite Bewegung der Radentscheide sowie der Verein Changing Cities, nun offene Briefe verfasst, in denen sie Politiker auffordern, eine sichere Mobilität und „coronasichere Rad- und Gehwege“ zu gewährleisten. Unter anderem hat Bundesminister Andreas Scheuer einen solchen Brief erhalten, außerdem der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann.

Filderstadt soll in den nächsten Tagen folgen

Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Filder hat sich der Aktion angeschlossen: „Wir haben am Montag eine Mail an die Verwaltung von Leinfelden-Echterdingen geschickt“, berichtet Monika Knopf, Vorstandsmitglied der Ortsgruppe. Filderstadt solle in den kommenden Tagen folgen – allerdings mit einem leicht abgeänderten Schreiben.

In dem Brief an den Oberbürgermeister von L.-E., Roland Klenk, werden einerseits generelle Forderungen geäußert. Dazu gehört die temporäre Verbreiterung von Gehwegen: „Wo Fußwege zu schmal sind, sollten sie durch Markierungen auf den Fahrbahnen erweitert werden“, heißt es. Außerdem sollten Radwege, die bisher über Gehwege geführt werden, nun zeitweise auf die Straße geleitet werden, damit Fußgänger genügend Platz haben. Ausgewählte Straßen sollten in Zonen ohne Autoverkehr oder stark reduzierten motorisierten Verkehr umgewandelt werden, andere Straßen temporär verkehrsberuhigt werden. Und Ampeln sollten so umprogrammiert werden, dass man als Radfahrer oder Fußgänger das Grün nicht mehr durch Knopfdrücken anfordern müsse sowie mehr Zeit habe, um Kreuzungen sicher und mit genügend Abstand zu anderen zu überqueren.

Radler haben Angst auf der Hauptstraße in Echterdingen

Der ADFC Filder hat außerdem Fotos von konkreten Situationen zusammengestellt, in denen sich Menschen nicht an den Mindestabstand halten können. In Leinfelden wird zum Beispiel die Situation an der Stuttgarter Straße kritisiert. Dort ist der Radverkehr in zwei Richtungen auf dem Gehweg erlaubt – obwohl sich auf einer Seite ein Schutzstreifen befindet. „Dieser wird nicht benutzt, weil durch das Parken auf der Straße die Fahrbahn zu eng ist und die Autos ständig den Radstreifen befahren.“ Auf dem Gehweg würden sich Radler und Fußgänger drängeln.

Als Problem in Echterdingen wird die Hauptstraße genannt: „Radfahrer haben sogar in Zeiten mit weniger Pkw-Verkehr, Angst auf der Hauptstraße zu fahren und nutzen daher den Gehweg.“ Dies sei eine Unart und könne aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht toleriert werden. Es brauche Schilder und Markierungen auf der Straße, sodass Autofahrer rücksichtsvoller unterwegs seien und sich auch Radler auf die Straße trauten.

Zudem könnten Parallelstraßen verkehrsberuhigt werden oder eine Einbahnregelung erhalten, damit Radler dorthin ausweichen. Generell sei der Gehweg an der Hauptstraße aber auch dann zu schmal, wenn nur Fußgänger unterwegs seien. „Sollten sich Warteschlangen vor den Ladentüren bilden, kommt es zum Gedränge“, mahnt der ADFC.

Das Land reagiert mit einer Mitteilung

„Ich hoffe, dass man diese Schwachstellen nun angeht“, sagt Monika Knopf vom ADFC Filder. „Das Ganze ist nicht als Angriff gegen die Kommunen gemeint, sondern als Möglichkeit zum Dialog.“ Man wolle der Verwaltung auch keine unnötige Arbeit machen, denn „wir wissen, dass die Leute dort am Anschlag arbeiten“. Man müsse die Situation aber ernst nehmen.

Zumindest seitens des baden-württembergischen Verkehrsministeriums wurde nun ein Schreiben verschickt, das als Reaktion auf die offenen Briefe verstanden werden kann. Für den Bereich Rad- und Fußverkehr seien Bauvorhaben mit einer Förderhöhe von etwa 58 Millionen Euro neu aufgenommen, heißt es in der Pressemitteilung. Dies sei eine Verdreifachung innerhalb von zwei Jahren. Im neuen Programm liege der Schwerpunkt bei neuen Radwegen, Schutz- und Radfahrstreifen sowie Fahrradständern.

400 Millionen für neue Rad- und Fußwege

„Durch Investitionen in den Rad- und Fußverkehr können wir gleichzeitig in Klimaschutz und Verkehrswende investieren und die Bauwirtschaft stützen“, wird Winfried Hermann zitiert. „Land und Kommunen planen zurzeit für fast 400 Millionen Euro neue Rad- und Fußwege.“ Das entspreche den Kosten von etwa zehn Ortsumfahrungen, bringe aber knapp 400 wichtige Projekte voran, heißt es. Damit sei es das bisher größte Förderprogramm für kommunale Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg.