Gesperrte Sportanlage in Stuttgart: Moderne Verein sind auch Dienstleister, vorübergehend aber ohne Kundschaft Foto: Baumann/Alexander Keppler

In der Coronakrise beweist der Sport viel Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn: Nur die Funktionäre sind sich wieder mal nicht einig.

Stuttgart - Wer um die Eitelkeiten im Sportland weiß, wird sich über die Händel nicht wundern. Es gibt wieder mal Stress in der vier geteilten baden-württembergischen Sportorganisation. Die ansonsten spinnefeinden Sportbünde aus Württemberg (WLSB) und Südbaden (BSB) machen mobil gegen ihre Dachorganisation, den Landessportverband Baden-Württemberg (LSV). Immerhin: Der badische Sportbund Nord (BSB) hält sich raus.

Es kreist der Pleitegeier

Wie so oft liefert den Anlass für die Holzereien das Geld. Zuvorderst die Großvereine fürchten nach der Auszeit durch Corona Löcher in der Kasse, die tiefer sind als jede Schnitzelgrube. Ihre Sorge ist nicht unbegründet. Weil sich die Gemeinschaften der Bewegungsfreudigen mit Kursen wider jedes Wehwehchen und mit schicken Sportstudios seit Jahren für die Rolle als Dienstleiter einer fitnessbewussten Gesellschaft rüsten, kreist jetzt mancherorts der Pleitegeier. Als wären hauptamtliche Trainer und Minijobber in Kurzarbeit nicht schon Bürde genug, versiegen mit jeder Woche des Stillstands die Quellen aus Einnahmen über Kurse, Mitgliedschaften, Mieten oder Pachten. Nun ist es nicht so, dass die Politik in Zeiten der Krise die Ohren auf Durchzug stellte. Ende März versicherte Kultusministerin Susanne Eisenmann den Vereinen und Sportbünden die Unterstützung des Landes.

Lesen Sie auch: „Es geht ums nackte Überleben“

Teile der jährlich garantierten 87 Millionen Euro an Steuergeldern aus dem Solidarpakt zwischen Landesregierung und Sport sollten für erste dazu dienen, um die Risse in den Sportbudgets zu flicken. Fünf Millionen Euro standen zum Abruf bereit. Alles weitere, hieß es, werde man im Lichte der Zahlen dann im Solidarpakt IV regeln. Geplanter Verhandlungsbeginn: Im Herbst dieses Jahres. Überdies versicherte das Wirtschaftsministerium, die Geschäftsbetriebe der Vereine unter ihren Schutzschirm zu nehmen.

Der Sport will 120 Millionen Euro

Das Geld könnte längst schon fließen, aber die Bocksbeinigkeit der Emissäre aus Freiburg und Stuttgart verhindert vorerst die rasche Hilfe. Andreas Felchle, Präsident des Württembergischen Sportbunds (WLSB) und Gundolf Fleischer, Chef der Sportsfreunde aus Südbaden, schrieben dieser Tage an Susanne Eisenmann. Ihre Forderungen, so meldet der Flurfunk in Sport und Politik, haben sich gewaschen: Bis zu 120 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt verlangen die Klassensprecher der Sportvereine. Der Solidarpakt müsse davon unberührt bleiben. Noch dazu ziehen die beiden das Mandat des Landessportverbands in Zweifel, überhaupt verhandeln zu dürfen. Die März-Depesche des Kultusministeriums an den Sport trug neben dem Signum der Ministerin die Unterschrift von Elvira Menzer-Haasis, seit 2016 Chefin des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSV).

Der Vorwurf: Kuschelkurs unter Frauen

Einen Kuschelkurs unter Frauen vermuten jetzt die Kritiker unter den Landesfürsten. Andere unken dagegen, die Herrenrunde trachte danach, alte Rechnungen mit der Präsidentin zu begleichen. Das Schreiben aus Felchles und Fleischers Feder ging jedenfalls ohne Kenntnis des LSV in die Post. Jetzt reitet auch noch die Kavallerie aus Stuttgart und Freiburg ihre Attacken. Elvira Menzer-Haasis äußerte sich im Podcast ihres Verbandes so unglücklich zur aktuellen Lage, dass ihr die Widersacher nun mit dem Argument an die Gurgel gehen, sie stelle die zeitgemäßen Vereinsstrukturen infrage. „Wenn wir diesen Schritt nicht vollzogen hätten, dann wären wir heute nicht 9500, sondern bestenfalls 5000 Mitglieder“, sagt etwa Roland Medinger, langjähriger Geschäftsführer beim VfL Sindelfingen.

Furcht vor Liquiditätsproblemen

Zwar beteuert die LSV-Chefin, dass sie lediglich anregen wollte, aktuelle Strukturen im Sport nach der Krise kritisch zu hinterfragen, aber auch das ist den Reitern der Apokalypse schon zu viel. In einem wütenden Schreiben wendet sich Karsten Ewald, Vorstandsmitglied im WLSB und Geschäftsführer des 9150 Mitglieder zählenden MTV Stuttgart, an seine frühere Mitstreiterin im Landessportbund. Er warnt zudem vor Liquiditätsproblemen. „Wenn der Geldfluss irgendwo unterbrochen wird, löst das im Verein eine Lawine aus.“

Elvira Menzer-Haasis „ist einigermaßen fassungslos“ über die Attacken einiger Funktionärskollegen. „Gerade in dieser schweren Zeit bewährt sich der Sport doch als solidarische Keimzelle der Demokratie“, sagt sie und seufzt: „Wir müssen in den nächsten Tagen viel telefonieren.“