Prost! Die Inzidenz ist gesunken, die Beschränkungen fallen – als WG darf man auch zu viert anstoßen. Foto: Lg/M. Kovalenko (2),L. Piechowski (1)

Mit den Lockerungen der Coronaverordnung hebt sich auch in der Stuttgarter Innenstadt bei vielen Menschen die Laune: Endlich wieder einen Kaffee im Café trinken! Endlich wieder ein Weißbier im Biergarten genießen!

Stuttgart - Lena Gabeler strahlt. Die 37-Jährige steht am Donnerstagvormittag vor dem großen Schnelltest-Zentrum auf dem Schlossplatz. Gerade hat sie ihr negatives Testergebnis erhalten. „Jetzt gehe ich erst einmal ins Freibad“, sagt Gabeler. Das ist seit Donnerstag auch in Stuttgart wieder möglich. Voraussetzung ist neben dem negativen Test der Kauf eines E-Tickets.

Gabeler geht eigentlich jeden Tag schwimmen. In letzter Zeit sei sie extra täglich von Stuttgart nach Sindelfingen gefahren, wo die Schwimmbäder schon früher offen hatten. Jetzt ist das nicht mehr nötig. Heute geht es ins Höhenfreibad am Killesberg. Weil der Test 24 Stunden gültig ist, wird sie ihn am Freitagmorgen gleich noch einmal nutzen, um eine Runde zu schwimmen. Sie plane außerdem, bald wieder Mittagessen zu gehen, sagt Gabeler.

Die Schlange vor dem Testzentrum ist länger als sonst

Die Auswirkungen der seit Donnerstag geltenden Öffnungen, die unter anderem den Einzelhandel und die Gastronomie betreffen, machen sich in der Stadtmitte schon am späten Vormittag bemerkbar. Die Schlange vor dem Testzentrum für Menschen ohne Termin endet erst kurz vor der Wiese, die den Schlossplatz umrahmt. „Es ist mehr los als sonst“, sagt Sandra Rößle, eine Mitarbeiterin des Zentrums. Ein Mann in der Schlange sagt, er habe sich zum Abendessen verabredet, brauche deshalb den Test.

Die 22-jährige Stuttgarterin Catherine sagt, sie habe am Wochenende endlich wieder im Café gesessen – im Schwarzwald. In Stuttgart habe sie das zuletzt im Herbst gemacht – am Nachmittag soll es endlich wieder so weit sein. Auch vor dem Testzelt vor der Alten Kanzlei hat sich eine Schlange gebildet. Ein Mann schaut nervös auf sein Handy, auch er wartet auf sein Testergebnis. „Ich will heute Abend wieder in die Kneipe“, sagt er.

Im Dorotheenquartier laden gedeckte Terrassentische zum Verweilen ein

Ein paar Schritte weiter erwacht das Dorotheen-Quartier langsam zum Leben. Im Außenbereich der Sansibar legen Kellner letzte Hand an, eine Infotafel informiert über die aktuellen Regelungen. Auf der Außenterrasse des Eduard’s sitzt Duygu Güngör vor ihrem Kaffee – sie ist bislang der einzige Gast. „Es fühlt sich seltsam an, ungewohnt. Aber es ist schön, wieder Sonne und Kraft zu tanken“, meint die junge Frau. Von vollen Außenterrassen kann zwar noch nicht die Rede sein, doch allein die gedeckten Tische machen im Stadtbild einen großen optischen Unterschied.

„Ich hoffe auf einen vollen Laden. Man spürt aber noch eine gewisse Zurückhaltung bei den Menschen“, sagt die 26-jährige Emily Allsopp, die im Eduard’s arbeitet. Bisher seien drei bis vier Tische besetzt gewesen. Für einen normalen Donnerstag im Eduard’s eher wenig. Ihre Stimmung ist trotzdem gut. „Ich freue mich riesig, nach sechs Monaten endlich wieder das zu tun, was ich liebe“, so Allsopp. Im Restaurant Arche in der Bärenstraße sind einige Tische besetzt. Ein Wirt äußert sich skeptisch. „Man muss viele Leute wegschicken, weil sie nicht getestet sind. Das ist ein Problem“, sagt er.

In der Rosenstraße zwischen Spielwaren Kurtz und Markthalle herrscht reger Betrieb. Vor dem Spielwarenladen gibt es eine Teststation, auch hier bildet sich eine kleine Schlange. „Ich gehe später mit meinem Sohn Mittagessen“, sagt ein Mann Mitte 60, der wartet, bis er dran ist. Euphorisch ist er nicht gerade wegen des Termins. „Ich muss sagen, dass ich mich mittlerweile sehr daran gewöhnt habe, zu Hause zu essen.“ Eine Veränderung in der Stadt nehme er heute indes deutlich wahr. „Das ist mir aufgefallen, als ich in die Stadt reingefahren bin. Es ist mehr los als sonst, die Menschen wirken auch entspannter, und die Außengastronomie macht optisch schon einen Unterschied.“

Manche Kunden sind wegen der ständigen Regeländerungen verunsichert

Den Eindruck, dass es draußen lebhafter sei, bestätigt Christine Bek, Inhaberin des Schuhhauses Wurster in der Kirchstraße. Das könne allerdings auch am Markt liegen, der donnerstags in der Königstraße stattfindet und auch im Schuhhaus zu mehr Kundschaft beiträgt. „Jetzt wird es spannend, wie es heute Nachmittag weitergeht“, sagt Bek. Die sich häufig ändernden Regeln führten weiterhin zu Verunsicherung bei den Kunden, die Testpflicht auch zu Ärger, sagt Christine Bek. Trotzdem: „Wir haben Hoffnung, dass es jetzt besser wird.“

Bis zur Mittagszeit hat sich die Stadt weiter gefüllt, die Königstraße ist fast so voll wie zu Zeiten vor der Pandemie. Auf der Terrasse vor dem Kunstmuseum sind viele Tische besetzt. Im Schlossgarten erwacht mit dem Biergarten eine Stuttgarter Institution zum Leben. Noch sind die Bänke zwar dünn besetzt, doch die Stimmung bei den Gästen ist schon prächtig: „Es ist viel besser als erwartet, endlich können wir wieder zusammenhocken“, sagt David.

Den Abiturienten aus dem Ostalbkreis sind die Kontaktbeschränkungen egal

Der Abiturient aus der Nähe von Ellwangen ist mit seinen Klassenkameraden extra mit dem Zug nach Stuttgart gefahren, um ihren Schulabschluss zu feiern. Denn im Ostalbkreis treten erst am Samstag die Öffnungen in Kraft, die in Stuttgart schon jetzt gelten – allerdings sind die Kontaktbeschränkungen noch nicht gefallen. Dennoch genießen die jungen Männer nun in Stuttgart ihre Weizenbiere. Weitere Pläne für den Tag hätten sie nicht – die Sitzung im Schlossgarten dürfte also noch eine ganze Weile angedauert haben.