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Ex-Staatsgaleriedirektor Christian von Holst ist von Staatsanwaltschaft von Vorwürfen befreit.  

Stuttgart - Er kommt mit schnellen Schritten. Noch immer. Energisch reicht er die Hand zur Begrüßung. Dunkle Hose, helles Hemd, Krawatte, das Jackett offen, die Schuhe makellos. Das Gesicht leicht gebräunt. Ein Macher, ein Antreiber. Und doch war auch er bis vor kurzem ein Getriebener, behaftet mit dem Vorwurf der Untreue.

Schon zu Beginn seiner Amtszeit als Direktor der Staatsgalerie Stuttgart im Jahr 1995 skizzierte Christian von Holst seine Aufgabe knapp mit "eigentlich Chef eines mittelständischen Unternehmens". Wunschkandidat von Erwin Teufel war von Holst gewesen, und seine Berufung provozierte den Vorwurf, Klassizismus-Experte von Holst - und damit die Staatsgalerie - werde künftig von der Landespolitik gelenkt. Und: Mit dem Praktiker von Holst, als Baureferent der Staatsgalerie für das Projekt des 1984 eröffneten Neubaus von James Stirling verantwortlich, würde sich eines der bedeutendsten deutschen Kunstmuseen von der großen Kunstbühne verabschieden.

McKinsey in der Staatsgalerie

Und handelte von Holst nicht noch schlimmer als von den Kritikern erwartet? Er gewann die Unternehmensberatung McKinsey im Herbst 1997 für eine kostenlose, aber folgenreiche Studie. Mehrere Monate waren die Beraterteams in den Staatsgalerieabteilungen unterwegs, am Ende stand ein Programm, das als "Stuttgarter Aufbruch" die Aufmerksamkeit all jener weckte, die an Strukturen für mehr finanzielle Transparenz, stärkere Verbundenheit mit den Besuchern - kurz: an der vielzitierten Professionalisierung interessiert waren.

Nicht alle, so sickerte immer wieder durch, waren von dieser Ausrichtung begeistert - und doch gab es einen Höhenflug, der bewies, dass mehr Öffentlichkeitsarbeit, mehr Vermittlungsangebote und mehr Klarheit im Rechnungswesen wissenschaftlichem Mehrwert ebenso wenig im Weg stehen muss wie dem repräsentativen Charakter des Museumsflaggschiffs Staatsgalerie. Von Holst wagte indes auch etwas in der Personalpolitik, setzte auf einen jungen Mitarbeiter - und dieser dankte mit vielbestaunten Ausstellungen zu Johann Heinrich Füssli und Paul Gauguin. Christoph Becker beantwortete die Herausforderungen der späten 1990er Jahre auf seine Art - beginnend mit einem gewinnenden Lächeln an der Eingangstür des Museums.

Christian von Holst musste Christoph Becker ziehen lassen, doch der längst schon selbst erfolgreiche Direktor des international renommierten Kunsthauses Zürich hat ein unverrückbares Signal für die insgesamt zwölfjährige Ära von Holst gesetzt: Museumsarbeit kann im Ernst Spaß machen. Und: Ebendies darf man das Publikum auch spüren lassen. Unter anderem der rasante Anstieg der Mitgliederzahlen im Stuttgarter Galerieverein auf 13 000 Engagierte im Jahr 2006 belegt, wie viele Menschen diesem Kurs dauerhaft vertrauen wollten.

Vorwürfe wegen Haushaltsuntreue

Und doch verging auch von Holst hin und wieder die gute Laune. Die versprochene Erweiterung der Staatsgalerie - realisiert als Bau der Schweizer Architekten Wilfried und Katharina Steib mit einem der schönsten Ausstellungsräume Europas - musste mit eigentlich für den Kunstankauf vorgesehenen Mitteln angeschoben werden. Noch mehr aber traf von Holst, dass die Sanierung des Altbau-Erdgeschosses Jahr um Jahr verschoben wurde - bis auch hier eigene Gelder (nun des Galerievereins) als Druckmittel dienen konnten.

Fast schien von Holst sich aufzureiben in den ständigen Auseinandersetzungen mit unterschiedlichsten Landesministerien und Referaten. Um dann plötzlich doch wieder Kunstzauber zu entfalten. "Claude Monet - Felder im Frühling" war seine Abschiedsvorstellung - und ein Publikumserfolg. Vor allem aber ein Ausrufezeichen des Kunstwissenschaftlers von Holst. Radikal hatte die im Schulterschluss mit Christofer Conrad erarbeitete Monet-Schau sich aller Lieblichkeit enthalten und den Künstler als kühlen Analytiker geometrischer Formationen vorgestellt. Vordergründig schien dieser Erfolg gar die Irrungen eines Rechnungshofberichtes und die Wirrungen mangelnder Rückendeckung durch konkurrierende Ministerien zu überspielen. Und doch gärte es unter der Oberfläche. Immerhin hatte ein Landesrechnungshofsbericht, dessen Ausführungen den Boulevard verführte, die Staatsgalerie als "Saustall" skizzieren zu können, zur Einleitung eines "Ermittlungsverfahrens wegen Haushaltsuntreue" geführt.

Gerüchten waren Tür und Tor geöffnet

Die Vorwürfe richteten sich zwar auch gegen angebliche Verfehlungen von Staatsgaleriemitarbeitern bei Dienstreisen, trafen indes wesentlich exakt die Grundlinien des von der Politik eben noch gefeierten "Stuttgarter Aufbruchs", den von Holst zudem nicht nur national auf diversen Podien vorzustellen hatte. Richteten sich die Vorwürfe zunächst gegen unbekannt, sahen sich bald Christian von Holst als Direktor im fraglichen Zeitraum und der Geschäftsführer Heinz Grosshans als direkt Beschuldigte. Gerüchten waren damit Tür und Tor geöffnet, vor allem jenem, dass die doch erfolgreiche Amtszeit Christian von Holsts mittelfristig zur finanziellen Hypothek für die Staatsgalerie geworden sei.

Doch nicht nur, dass von Holst über die Monet-Schau (bei deren Vorbereitung sich der damalige Direktor wiederholten Angriffen der ministerialen Verwaltungsebenen ausgesetzt sah) seinem Nachfolger Sean Rainbird einen erwirtschafteten Betrag von 1,6 Millionen Euro als Startkapital liefern konnte, ist richtig. In einem unserer Zeitung vorliegenden Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 12. April dieses Jahres zu den gegen von Holst erhobenen Vorwürfen heißt es zudem: "Das Ermittlungsverfahren war einzustellen, da die Ermittlungen in keinem der gerügten Punkte letztlich einen für die Erhebung einer öffentlichen Klage hinreichenden Tatverdacht begründet haben." Und: "Das Ermittlungsverfahren war somit einzustellen."

Befreit von dunklen Schatten

Wie nimmt man ein solches Schreiben auf? Christian von Holst lehnt sich zurück. Für einen Moment aber nur, dann ist er schon wieder in Bewegung. "Wissen Sie", sagt er, "das freut mich zuerst einmal für alle, deren Handeln infrage gestellt worden war." "Und", fügt er hinzu, "es freut mich für die Staatsgalerie Stuttgart, dieses wunderbare Haus, in dem hoch engagierte Mitarbeiter tätig sind."

Heute wird Christian von Holst 70 Jahre alt. Jung, muss man bei ihm sagen. Die Staatsgalerie gratuliert mit offenkundiger neuer Nähe zu ihrem vormaligen Vormann. Auch das Team um Sean Rainbird sieht sich durch die nicht verborgen gebliebene Nachricht beflügelt, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt hat. Und Christian von Holst? Jubilar ist er, befreit von dunklen Schatten.