Pflegt der Altbundespräsidenten Walter Scheel: Ehefrau Barbara Scheel. Foto: dpa

Das Gericht anerkennt das Betreuungsrecht der Ehefrau, doch nun wird ein Kontrolleur eingeschaltet – Der Fall Scheel zeigt, welche Probleme bei Demenzkranken auftreten können.

Staufen - Nach monatelangen Querelen wird die Pflege von Altbundespräsident Walter Scheel (95) unter Aufsicht gestellt. Das Amtsgericht Staufen bei Freiburg bestellte einen Kontrollbetreuer. Er werde die in die Kritik geratene Betreuung Scheels überwachen, sagte Gerichtsdirektorin Heidi Winterer am Freitag. Das Gericht reagiere damit auf eine Klage von Cornelia Scheel. Die Adoptivtochter des FDP-Politikers hatte das alleinige Betreuungsrecht von Scheels dritter Ehefrau Barbara (72) angezweifelt. Dieses wurde vom Gericht zwar als wirksam eingestuft, werde nun aber von dem Betreuer kontrolliert. Scheel, Bundespräsident von 1974 bis 1979, lebt seit vier Jahren in einem Pflegeheim in Bad Krozingen. Er leidet den Angaben zufolge an Demenz.

„Herr Scheel ist aufgrund seines altersbedingten Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage, seine Interessen eigenständig und selbstbestimmt wahrzunehmen“, sagte Winterer. Barbara Scheel habe von ihm vor Jahren eine Vorsorgevollmacht erhalten. Diese sei rechtlich korrekt. Mit der nun gerichtlich angeordneten Kontrolle sei Barbara Scheel einverstanden.

„Wir hoffen, dass dies zur Beruhigung der Lage beiträgt“, sagte Winterer. Der Kontrollbetreuer berichte regelmäßig an das Gericht. Seine Arbeit sei zunächst auf zwei Jahre beschränkt. „Danach schauen wir, wie es weitergeht.“

Im Sommer waren Querelen um Scheels Pflege öffentlich geworden. Das Heim, in dem der Altbundespräsident wohnt, hatte im Streit mit Barbara Scheel die Heimaufsicht eingeschaltet, Barbara Scheel und die Leitung des Pflegeheims gingen juristisch gegeneinander vor. Sie warfen sich gegenseitig mangelnde Fürsorge und andere Versäumnisse vor. Es gab Berichte, wonach es zum Eklat zwischen der Heimleitung und Barbara Scheel gekommen sein soll und wonach der frühere Außenminister in einem Zustand der Verwahrlosung leben soll.

Die Betreibergesellschaft des Heims wirft Barbara Scheel zum Teil „übergriffiges Verhalten“ und „verbale Entgleisungen“ vor. Anja Schilling, die Direktorin des Pflegeheims, wurde mit den Worten zitiert: „Verwahrlost ist er sicher nicht.“ Die Kleidung der Patienten sei Sache der Angehörigen, sagte Schilling.

Zudem hatte das Bundespräsidialamt zum 1. August Scheels Büro mit Fahrer, Sekretärin und Dienstwagen aufgelöst, weil Scheel dies nicht mehr benötige. Scheels Referent arbeitet seither von Berlin aus.

Der Fall ist ein prominentes Beispiel dafür, welche Probleme bei der Betreuung von Demenzkranken auftreten können. Rechtsexperten finden es aber generell nicht schlecht, wenn sich Familienmitglieder in Betreuungsfragen gegenseitig auf die Finger schauen. Sie sprechen in diesem Fall von einer natürlichen Kontrolle. Diese kann verhindern, dass sich jemand bereichert oder einen Angehörigen in eine unwürdige Lage bringt. Wie viele Menschen in Deutschland eine Vorsorgevollmacht erteilt haben, weiß niemand genau. Denn wie beim Testament, so besteht auch bei dieser Vollmacht keine Pflicht, das Dokument beim Notar abzufassen oder registrieren zu lassen. Laut Bundesnotarkammer sind momentan mehr als 2,4 Millionen Vorsorgevollmachten registriert – Tendenz steigend.

Sabine Sütterlin-Waack setzt sich mit dem Thema nicht nur als Mitglied des Rechtsausschusses des Bundestages auseinander. Als Juristin kennt die CDU-Abgeordnete das Problem auch aus der Praxis. Sie findet das Instrument der Vorsorgevollmacht zwar grundsätzlich gut. Ein Mindestmaß an Kontrolle könne aber in bestimmten Fällen hilfreich sein, sagt sie.

Die Politikerin warnt: „Wer sein ganzes Leben in die Hände eines Vertrauten legt, sollte besser keine Generalvollmacht erteilen.“ Besser sei es, möglichst viele Details konkret festzulegen – „das geht von der Einweisung in ein Pflegeheim bis zu der Frage, ob in einem Heim die Fixierung des Patienten ohne ärztliche Zustimmung erfolgen darf.“ Außerdem kann jemand, der wegen einer Erkrankung oder aufgrund von Drogensucht nicht selbst entscheiden darf, eine einmal erteilte Vollmacht nicht mehr ohne weiteres widerrufen.

In der SPD ist die Forderung laut geworden, das Betreuungsrecht „in struktureller Hinsicht“ zu verbessern. Dazu könnte laut Sütterlin-Waack auch eine Aufwertung der sogenannten Berufsbetreuer gehören, für deren Aufgabe es bisher keine einheitliche Ausbildung gibt.

„Eine Vorsorgevollmacht sollte nur erteilen, wer zu dem Bevollmächtigten 100 Prozent Vertrauen hat“, sagt Katrin Lang, die in Hessen für den Betreuungsverein Biedenkopf e.V. arbeitet. Wer sich nicht ganz sicher sei, dass etwa der Ehepartner oder die Kinder immer in seinem Interesse entscheiden, solle besser eine „Betreuungsverfügung“ wählen. Diese kann auch auf einen Angehörigen ausgestellt werden.

Allerdings wird der Bevollmächtigte dann zusätzlich vom Gericht kontrolliert. Dadurch kann zum Beispiel sichergestellt werden, dass sich die Familie nicht am Vermögen der hochbetagten Großmutter bedient.