Asylstaaten in anderen Ländern durchzuführen, ist rechtlich komplex. Foto: Gottfried Stoppel/Gottfried Stoppel

Kann man deutsche Asylverfahren in andere Staaten auslagern? Darum geht es am Donnerstag bei einer Expertenanhörung im Innenministerium. Welche Modelle es gibt – und was das Vorhaben so kompliziert macht.

Der Termin ist nicht öffentlich, nicht mal offiziell angekündigt. Es ist auch nur eine kleine Runde, die sich am Donnerstag im Bundesinnenministerium trifft – zu einer Expertenanhörung zu einer viel diskutierten Frage: Ist es rechtlich möglich, deutsche Asylverfahren in Transit- oder Drittstaaten durchführen zu lassen – und zwar unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention? Und wenn ja: Wie könnte das aussehen?

Seit Herbst hat das Innenministerium den Auftrag, diese Frage prüfen zu lassen. Das war Teil des Beschlusses, auf den sich der Kanzler mit den Länderchefs im November einigte – und verursachte zunächst viel Aufregung, obwohl es schon so ähnlich im Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht.

Experten aus Wissenschaft und Praxis

Zur Anhörung sind mehrere Experten eingeladen, darunter Gerald Knaus von der Europäischen Stabilitätsinitiative, der Völkerrechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz und der Politikwissenschaftler Raphael Bossong von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Was ist von dem Treffen zu erwarten? Und welche Ideen könnte es geben?

Über einen Vorschlag wurde schon viel diskutiert: das sogenannte Ruanda-Modell. Das würde so funktionieren: Ein Asylbewerber, der nach Deutschland eingereist ist, würde direkt in einen anderen Staat, zum Beispiel Ruanda, geschickt – auch wenn er dort noch nie war. Dort würde über seinen Asylanspruch entschieden. „Wenn die Person für asylberechtigt erklärt wird, heißt das aber nicht, dass sie nach Deutschland zurückkehren darf – sondern sie bleibt dann in dem Drittstaat wie Ruanda und erhält dort Asyl“, erklärt der Staatsrechtler Roman Lehner von der Georg-August-Universität Göttingen.

Großbritannien versucht seit Monaten, dieses Modell einzuführen. Bislang spricht sich der Oberste Gerichtshof aber dagegen aus, weil er es für fraglich hält, wie sicher die Asylbewerber in Ruanda wären.

Das Albanien-Modell

Ein anderes Modell könnte vorsehen, dass deutsche Behörden ihre Asylverfahren in Drittstaaten durchführen, erklärt Lehner. „Das ist das, was Italien aktuell in Albanien plant.“ Dabei geht es aber nicht um die Asylbewerber, die Italien schon erreicht haben, sondern nur um diejenigen, die schon auf dem Meer aufgegriffen werden. Auch das ist allerdings rechtlich umstritten.

Ein Grund dafür ist das Verbindungskriterium. „Das europäische Recht sieht vor, dass man eine asylsuchende Person nur in ein Land bringen kann, zu dem sie eine Verbindung hat – zum Beispiel in einen Staat, den sie mal durchreist hat“, erklärt Lehner. „Das macht alle Drittstaaten-Modelle natürlich sehr schwierig.“ Dann stellt sich noch die Frage, welche Länder überhaupt als Drittstaaten infrage kommen und mitmachen wollen. Ruanda und Albanien gelten in dieser Hinsicht als Ausnahmen.

Ein grundlegend anderer Vorschlag

Auch der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci hat sich mit Asylverfahren in Drittstaaten beschäftigt. Im Herbst legten er und zwei Parteikollegen ein Impulspapier vor. Ihnen schwebt eine grundlegende Änderung vor. Nach ihrer Vorstellung sollen mehrere andere Länder Asylzentren einrichten. Die Geflüchteten würden ihren Antrag dort stellen. Dort würde entschieden, ob und wo sie Asyl erhalten – „damit sich niemand mehr auf den Weg über das Mittelmeer begeben muss“, wie Castellucci im Gespräch mit dieser Redaktion sagt. „Aktuell erscheinen die Angebote der Schlepper den Migranten verheißungsvoller als die regulären Möglichkeiten, die wir ja ausbauen. Das müssen wir ändern.“

Es müsse trotzdem klar sein: „Wer Europas Grenzen erreicht, bekommt weiterhin ein ordentliches Asylverfahren in Europa“, sagt Castellucci. Aber für Menschen auf dem Weg werde es dann keinen Automatismus geben, der nach Europa führt, weil andere Länder ebenfalls an der Aufnahme von Geflüchteten mitwirkten. Castellucci plädiert für den Ausbau einer internationalen Allianz für den Flüchtlingsschutz: „Globale Phänomene müssen auch global angegangen werden“, so der SPD-Innenpolitiker.

Und mit welchem Ergebnis rechnet der SPD-Politiker am Donnerstag? „Ich rechne damit, dass die Bilanz sein wird: Es wird sehr schwierig – aber es lohnt sich, das weiterzuverfolgen.“ Abgeschlossen ist die Debatte noch lange nicht.