Junge afghanische Mädchen bei einer kollektiven Eheschließung in Afghanistan Foto: EPA

Vor allem durch den Zustrom muslimischer Flüchtlinge steigt die Zahl der Kinderehen an. Die Politik will nun religiöse Trauungen von Minderjährigen verbieten, doch das ist nicht so einfach.

Stuttgart/Berlin - Muslimische Geistliche sollen in Deutschland bald keine Kinder mehr verheiraten dürfen. Das ist der Plan der Regierungsfraktionen von CDU und SPD im Deutschen Bundestag. Nach Angaben des Heidelberger Abgeordneten Stephan Harbarth, einer der stellvertretenden Vorsitzenden und Rechtsexperte in der CDU-Fraktion, soll ein entsprechendes Verbot solcher Imam-Ehen noch dieses Jahr von der Mehrheit im Parlament beschlossen werden. Dann bräuchte es Anfang kommenden Jahres noch die Zustimmung des Bundesrats, um in Kraft treten zu können.

Zahl der Kinderehen hat sich in Baden-Württemberg versiebenfacht

Hintergrund ist ein starker Anstieg der registrierten Kinderehen – auch in Baden-Württemberg. Laut Statistischem Landesamt hat sich die Zahl der verheirateten ausländischen Minderjährigen im Land in den letzten zwei Jahren versiebenfacht – von 26 im Jahr 2013 auf 181 Ende 2015. Bundesweit sind es mittlerweile 1475.

Keine Verpflichtung zur Registrierung

Die Statistiker führen den Anstieg auf den Flüchtlingszustrom der vergangenen Jahre zurück. Vermutlich gibt es noch deutlich mehr Kinderehen, denn laut Innenministerium gibt es „keine Verpflichtung, eine im Ausland geschlossene Ehe in Deutschland nachregistrieren zu lassen“.

Christliche Kirchen wären von Verbot nicht betroffen

Laut Harbarth könnte das rein religiöse Verheiraten von Kindern in Deutschland künftig mit einem Bußgeld geahndet werden. „Man muss das möglicherweise auch mit einer Sanktion belegen“, sagte er unserer Zeitung. Das Verbot würde für alle Religionen gelten, ist aber laut Harbarth für die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland kaum von Bedeutung. „Die evangelische und die katholische Kirche sagen uns: Nach ihren Erhebungen gibt es bei ihnen in Deutschland keine Eheschließungen unter 18 Jahren“, sagte er. Was die Muslime in Deutschland angehe, habe man im Augenblick noch keine belastbaren Zahlen. „Mein Eindruck ist: es gibt eine hohe Dunkelziffer“, so Harbarth.

Katholische Kirche wehrt sich gegen generelles Verbot

Ursprünglich war von der Großen Koalition sogar erwogen worden, kirchliche Trauungen wieder generell, also für alle Altersgruppen, zu untersagen, wenn zuvor keine standesamtliche Hochzeit erfolgt ist. Dieses sogenannte Voraustrauungsverbot war Ende 2008 abgeschafft worden. Es galt als verzichtbar, weil ohne Bedeutung. Frauenrechtsgruppen argumentierten aber schon damals, eine Abschaffung fördere Zwangs- und Kinderehen unter Muslimen.

Die Katholische Kirche machte gegen eine Wiedereinführung des Voraustrauungsverbots allerdings zum einen verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Ein solches Verbot gilt als problematischer Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit. Zum anderen ging es aber auch um handfeste Interessen: „Man will älteren Damen im Pflegeheim weiterhin ermöglichen, den älteren Herrn zu heiraten ohne die Pension des bereits verstorbenen Gatten aufs Spiel zu setzen“, beschreibt eine CDU-Abgeordnete das Problem. Von den 941 rein katholischen Eheschließungen im Jahr 2015 seien dies die meisten Fälle .

Justizminister Wolf skeptisch

Eine Wiedereinführung des Voraustrauungsverbots für alle scheint mittlerweile vom Tisch, aber selbst ein spezielles Verbot für Minderjährige aus Gründen des Kinder- und Jugendschutzes ist nicht unproblematisch. Das meint zumindest Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU). „Mir ist bewusst, dass sich schwierige verfassungsrechtliche Fragen im Hinblick auf die Religionsfreiheit stellen“, sagte er unserer Zeitung. „Auch müssen wir sensibel dafür sein, dass wir keine Regelungen schaffen, die in der Praxis dann insbesondere unseren christlichen Religionsgemeinschaften zum Nachteil gereichen.“

Ein Problem ist laut Rechtsexperten auch die Umsetzung eine solchen Verbots: Welche religiösen Praktiken oder Rituale sollen genau verboten werden? Das muss in einem Gesetz festgelegt werden – und kann dann womöglich auch durch „unterschwellige Alternativen“ umgangen werden. Die Diskussion ist daher noch nicht zu Ende.