Auf dem Podium beim Women’s Cycling Grand Prix landeten Kathrin Schweinberger (von links, 2. Platz, Österreich), Elena Pironne (1. Platz, Italien) und Linda Riedmann (3. Platz, Deutschland). Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Ambitionierte Freizeitsportler haben gemeinsam mit den Profis des Women’s Cycling Grand Prix den Radsport gefeiert.

Vor dem Stand des Rennradfachmagazins „Roadbike“ auf dem Marienplatz steht ein Herr in zünftigem Zweiradfahrerdress und knuspert an einer halben Brezel. „Das gibt Kraft und schlägt nicht auf die Figur“, preist er das Wahrzeichen des Brezel Race an, das am Sonntag stattfindet. Es ist 9.30 Uhr. Während die Aussteller der Expo, die das Jedermann-Jederfrau-Rennen sowie den neuen Women’s Cycling Grand Prix mit Informationen rund um Mobilität und insbesondere Radfahren begleiten und letzte Hand an die Infozelte legen, Liegestühle ausklappen und Glücksräder justieren, treten in der Region rund 3000 Radenthusiasten mit vollem Einsatz in die Pedale.

Freude über gesperrte Straßen

Aurelius und Jan, beide 18 und aus Korntal, sind unter den ersten 30 Hobbysportlern, die die Hohenstaufenstraße hinunter ins Ziel einrollen. „Es ist unser erstes großes Rennen“, sagt Jan. Vor allem die gesperrten Straßen seien ein Erlebnis gewesen. Endlich keine Rücksicht auf Autos nehmen müssen. Aurelius freut sich zudem über das Wetter. Am Anfang sei es fast ein wenig kühl gewesen, sagt er. Jetzt sei ihm angenehm warm. Bei der Schwüle am Samstag wäre sicher alles unangenehmer gewesen.

Steigungen bis zu 15 Prozent

Fordernd ist die Kurzstrecke des Brezel Race mit seinen 62 Kilometern dennoch. So geht es zur Gerlinger Schillerhöhe immerhin 1,5 Kilometer mit 15 Prozent Steigung bergauf. „Da sehe ich, wie der vor mir richtig in die Eisen steigt“, berichtet ein Fahrer seinen Bekannten, die ihn am Marienplatz erwartet haben. „Der hatte solche Oberschenkel.“ Die Hände des Radlers deuten einen beeindruckenden Umfang an. Am Ende zählt vor allem, heil ins Ziel gekommen zu sein. Zwei schwere Stürze und mehrere Krankenhauseinlieferungen gehören zum Fazit des Rennens. Malte Rewald freut sich, auf der Bühne die Trophäe als bester männlicher Fahrer in die Höhe recken zu dürfen: ein Stuttgarter Wappenpferd. Mit 1:33:39 Stunden konnte er sich vor Pascal Bachhofer und Marvin Sonntag platzieren. Schnellste Dame ist Naomi Wurzinger 1:43:14 Stunden vor Emma Schülke und Vanessa Grau.

Tour Gingko tut Gutes

Auch Fahrer der Tour Ginkgo sind unter den Startenden. Seit 30 Jahren radeln die Beteiligten durch den süddeutschen Raum und sammeln Spenden zu Gunsten schwerkranker Kinder. 2023 kamen für das Olgäle 170 000 Euro zusammen. Das freut auch Michael Gaedt, der warnt, wer einmal mit der Charity-Radelei angefangen habe, werde bis zu seinem Ende weitermachen. Gutes tun können auch andere Brezel-Racer: Jede abgegebene Rahmenstartnummer wird durch die „Radhelden“ des Württembergische Radsportverbands in einen Euro verwandelt und zur Projektförderung verwendet.

Die lange Strecke ging über 110 Kilometer

„Ich bin unter drei Stunden geblieben“, zeigt sich ein Fahrer der längeren Rennvariante zufrieden. 110 Kilometer und 1050 Höhenmeter hat er bewältigt. Neben Fachsimpeleien über Carbonfelgen und Ventiltypen wird auf dem Marienplatz auch die Strecke einer nachträglichen Analyse unterzogen. Für den einen war der Ortsausgang bei Hochdorf ein kritischer Punkt, für den anderen wurde das Kopfsteinpflaster an Schloss Solitude zum unerwarteten Hindernis. Nico Peller hat die Strecke mit 2:42:36 Stunden am schnellsten gemeistert. Er steht bei der Siegerehrung neben Maximilian Fink und Timo König. Die schnellsten Fahrerinnen sind Noemi Berliner mit 2:52:02 Stunden, Magdalena Vollmer und Eva Großmann.

Profirennen der Radlerinnen

„Ist das das neueste Modell?“ fragt ein älterer Passant einen der Freizeitsportler. Der Herr mit der auffallenden Sonnenbrille schiebt einen Drahtesel, der nicht unbedingt renntauglich wirkt. Unter Radfahrern könne man sich gut austauschen, hält er fest. Jörg, ein sportiver Enddreißiger, findet attraktiv, dass am Sonntag auch der Women’s Cycling Grand Prix stattfindet – ein Profirennen, das teilweise auf den gleichen Strecken ausgetragen wird und an dem sich gut 100 Sportlerinnen aus aller Welt beteiligen. „So ein bisschen international war auch das Brezel Race, sagt er. Er habe Italiener und Franzosen getroffen. In jedem Fall sei es ein guter Tag für Radsportfreunde in Stuttgart.

Smoothie aus Muskelkraft

Der Nachwuchs wird ebenfalls angesprochen. Am Stand der Stadtwerke können Kinder verschiedene Zutaten mit purer Pedalkraft in einen gehaltvollen Smoothie verwandeln. Trainieren hier die Brezel Racer der Zukunft? Oder Kandidatinnen für den Women’s Cycling Grand Prix? Das Eintagesrennen hat Potenzial zum kleinen Klassiker. Die Erstauflage konnte die 24-jährige Italienerin Elena Pirrone für sich entscheiden. Als erfolgreichste Deutsche erreichte Nationalfahrerin Linda Riedmann den dritten Platz.