Christoph Rottner vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Baden-Württemberg hat den Entschärfungseinsatz der Bombe(im Hintergrund) in Gebersheim geleitet. Foto: Sebastian Küster

Für Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg wie Christoph Rottner ist es eine „normale Sache“, eine knapp 500 Kilogramm schwere MC 1000 mit einem mechanischen Aufschlagzünder unschädlich zu machen. Viel gefährlicher und unberechenbarer sind die Langzeitzünder.

Es sind die Altlasten des Krieges, mit denen auch noch die nächsten Generationen zu tun haben werden. Am Montagmorgen wurde in Gebersheim eine etwa 500 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Christoph Rottner, sogenannter Feuerwerker, also der Munitionsfachkundige beim baden-württembergischen Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) mit Sitz in Böblingen, leitete den Einsatz vor Ort. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren - inklusive der Evakuierung des Leonberger Teilortes im Radius von 500 Metern – dauerte die Entschärfung des Zünders am Nachmittag nur zehn Minuten.

Wie wurde die Bombe gefunden? Der KMBD wertet regelmäßig historische Aufklärungsbilder der Alliierten aus. „Darauf hat man den Einschlag gesehen und konnte den Blindgänger erahnen“, sagt Rottner. Nachgewiesen wurde die Bombe dann anhand einer Magnetfeldmessung.

Was genau haben Sie ausgegraben und anschließend erfolgreich entschärft? Identifiziert wurde die Bombe in den frühen Morgenstunden während der Ausgrabung als britische Fliegerbombe des Typs MC 1000. „Wenn Sie Autoliebhaber sind, erkennen sie die einzelnen Marken.“ Und so könnten auch die Munitionsexperten die einzelnen Bombentypen erkennen. Die in Gebersheim wiegt 485 Kilogramm und hatte die Sprengladung von 238 Kilogramm einer TNT-Mischung. „Die würde eine gewaltige Detonation mit einem Trichter von zehn Meter Durchmesser haben“, sagt Rottner.

Wie gefährlich war die Arbeit in Gebersheim im Vergleich zu anderen Fällen? Eine Gefahr geht immer von Bomben aus. „Manche Kollegen sagen Phrasen wie ,Angst ist kein guter Begleiter‘. Wir sind immer vorsichtig, profitieren aber von unserer Erfahrung und unserer Routine.“ 2,10 Meter lag der jüngste Fund unter der Erde. „Die Schwierigkeit war, dass sie sich in der Erde gedreht hatte und dort wie eine Kerze lag, der Zünder war nach unten gerichtet.“ Die Stelle musste vorsichtig freigebaggert werden. Schnell war klar, dass sie einen mechanischen Aufschlagzünder hat, den Rottner dann zusammen mit seinen Kollegen entfernte. Insofern sei dieser Einsatz eher „normal“ gewesen. „Da hat man keine große Angst.“ Den Grund, weshalb die Bombe nicht bereits im Weltkrieg detoniert war, kennt allerdings niemand.

Wie gefährlich sind die Langzeitzünder? Noch herausfordernder und noch gefährlicher seien chemisch-mechanische Langzeitzünder, eine Form von Zeitzündern, die um einiges unberechenbarer seien. „Da gibt es viele Diskussionen, wie man sie am besten entschärfen kann. Manchmal entscheidet man sich für eine Sprengung, weil eine Entschärfung fast gefährlicher ist und immer weniger das machen wollen.“

Manchmal geht das Vorhaben alles andere als glimpflich aus. Beispielsweise im August 2012 in München-Schwabing, als eine 250-Kilogramm Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg kontrolliert gesprengt wurde. Mehrere Dachstühle hatten durch umherfliegendes, brennendes Stroh Feuer gefangen. Das Stroh sollte eigentlich die Wucht der Detonation mildern. Viele Fenster gingen zu Bruch, viele Häuser wurden zerstört. Am 1. Juni 2010 waren in Göttingen drei Sprengexperten unter damals ungeklärten Umständen gestorben, noch bevor sie eine Bombe mit einen deformierten Langzeitzünder mit Ausbausperre entschärfen konnten.

Wie oft werden Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden? Im Durchschnitt entschärft der Kampfmittelbeseitigungsdienst 20 bis 24 pro Jahr im Land. Die in Gebersheim war die Nummer 16 im laufenden Jahr 2022, aber bereits die sechste im August. „Oft wird man bei Baumaßnahmen fündig, doch wie viele noch in der Erde liegen, weiß keiner“, sagt Rottner. Vor allem bei den Langzeitzündern wird in den nächsten Jahrzehnten die Gefahr der Selbstdetonation größer, denn an den Zündvorrichtungen nagt der Zahn der Zeit.

Wie geht jemand vor, der einen Verdacht hat, eine Bombe gefunden zu haben? Bauchschmerzen bereiten dem KMBG ambitionierte Magnetangler. „Sie meinen etwas Gutes zu tun, doch sie lösen meist nur zusätzliche und unnötige Einsätze aus“, sagt Christoph Rottner. Sollte jemand den Verdacht haben, eine Bombe gefunden zu haben, der könne sich an die örtliche Polizeidienststelle wenden. In jedem Fall sollte man nicht selbst aktiv werden.