Supermärkte und Discounter punkten bei Bio-Produkten. Foto: dpa/Fabian Sommer

Bio-Produkte im Discounter sind beliebter als im Fachhandel, der in diesem Jahr weitere Marktanteile verliert. Was hinter der Zeitenwende im Bio-Fachhandel steckt.

Bio-Lebensmittel sind bei Verbrauchern und Verbraucherinnen beliebt, gekauft werden sie aber zunehmend bei Discountern und Supermärkten, wo sie in der Regel günstiger sind als im Bio-Fachhandel. Die Gründe dafür sieht Handelsexperte Stephan Rüschen von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn nicht nur in der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung, sondern auch im umfangreichen Bio-Sortiment der Discounter, Supermärkte und Drogerien.

„Der Bio-Fachhandel läuft Gefahr, in die Belanglosigkeit zu versinken“, sagt Rüschen. Der klassische Lebensmittelhandel führe nicht nur zunehmend dieselben Sortimente wie der Bio-Fachhandel, sondern gewinne auch Marktanteile. Während der Marktanteil der Bio-Fachhändler 2023 auf rund 30 Prozent (2021: 37 Prozent) gesunken ist, bauten Discounter, Supermärkte und Drogerien den Marktanteil bei Bio-Produkten auf rund 70 Prozent aus, wie die Studie „Zeitenwende im Bio-Fachhandel“ der DHBW Heilbronn zeigt. Sie hat dafür Experten aus dem Bio-Handel, dem Lebensmitteleinzelhandel und Bio-Hersteller befragt.

Der Biomarkt befinde sich seit 2022 in einem Konsolidierungsprozess – sowohl im Handel als auch bei Herstellern, so Rüschen. Bei Bio-Supermärkten sei mit weiteren Übernahmen zu rechnen, gleichzeitig werde die Zahl der selbstständigen Naturkostfachgeschäfte und Bio-Markenhersteller zurückgehen.

Umsatz mit Bio-Produkten sinkt erstmals

Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln ist laut Studie als Folge der Konsequenzen aus dem Ukraine-Konflikt 2022 erstmals seit mehr als 20 Jahren geschrumpft und im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro zurückgegangen. Für 2023 zeichne sich eine Stabilisierung des Umsatzes ab, was aufgrund der Inflation aber mit einem Mengenverlust verbunden sei.

Der Anteil der Handelsmarken ist im Bio-Segment mit 60,4 Prozent deutlich höher als bei konventionellen Lebensmitteln, wo der Anteil der Eigenmarken des Handels bei 46,4 Prozent liegt. 2023 hat der konventionelle Handel seine Bio-Aktivitäten deutlich ausgeweitet und hat nicht nur Eigenmarken, sondern auch Produkte von Kooperationspartnern wie Bioland, Demeter oder beispielsweise Naturland im Sortiment. Aldi etwa führt laut Erhebungen der DHBW mehr als 550 Bio-Produkte , Lidl mehr als 400, Edeka knapp 500 und Rewe rund 800 Bio-Produkte, um einige Beispiele zu nennen.

Trotz des Umsatzrückgangs bei Bio-Lebensmitteln ist die Zahl der verfügbaren Produkte mit Bio-Siegel 2023 weiter gestiegen auf knapp 104 300.

Lebensmitteleinzelhandel im Überblick

Umsatz
Der Gesamtumsatz im Lebensmitteleinzelhandel stieg 2022 um 1,6 Prozent auf 183,6 Milliarden Euro.

Discounter
Sie konnten ihren Marktanteil 2022 auf 36,9 Prozent am Gesamtumsatz der Branche steigern. Damit lag der Anteil über dem Vor-Corona-Niveau, nachdem er in den Jahren 2019 bis 2021 von 36,4 auf 34,8 Prozent gesunken war.

Handelsmarken
Die Eigenmarken des Handels gewinnen gegenüber den Herstellermarken. Im ersten Halbjahr 2023 lag der Marktanteil der Handelsmarken bei 45,9 Prozent (plus 3,4 Prozent).