Von Kommunisten entführt: George Clooney als Filmstar der 1950er Jahre im Römer-Kostüm in einer Szene von „Hail Caesar“ Foto: Universal Pictures/Berlinale

Wenn George Clooney die Berlinale besucht, herrscht Ausnahmezustand. Und wenn sich dann auch noch Meryl Streep als Jury-Präsidentin vorstellt, sowieso. Die 66. Ausgabe des Festivals hat mit einem Paukenschlag begonnen – und einem kleinen Schönheitsfehler.

Berlin - Das Leben ist eine einzige Kreuzung – ständig muss man sich entscheiden. Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat sich entschieden: für „Hail Caesar“ als Eröffnungsfilm, obwohl der in den USA bereits in den Kinos läuft – für ein A-Festival eigentlich ein Unding. Andererseits: Wer hat zum Auftakt nicht gern George Clooney auf dem Roten Teppich?

Der dreht als Filmstar der 1950er einen Sandalenfilm und wird von Kommunisten entführt – ein absurder Plot und typisch für die Brüder Joel und Ethan Coen („Fargo“), die daraus eine satirische Hommage an die Goldene Ära Hollywoods gemacht haben.

Josh Brolin („No Country For Old Men“) löst als Filmstudio-Manager Eddie Mannix zig Probleme parallel: Eine Diva (grandios zickig: Scarlett Johansson) ist schwanger, aber unverheiratet, damals ein Skandal, einem distinguierten Regisseur (Ralph Fiennes) wird für sein Salon-Drama ein Westerndarsteller zugeteilt, der keinen geraden Satz herausbringt, die Klatschreporter-Zwillinge Thora uns Thessaly Thacker (Tilda Swinton) lauern und der verschwundene Zenturio kostet das Studio Unsummen.

„Soll ich den Raum nach Kommunisten absuchen?“, fragt George Clooney

Da wird chargiert, gesungen und getanzt, die ganze Illusionsmaschine aus Schall und Rauch fahren die Coens auf mit vielen köstlichen Zitaten. „Wir haben die Epoche nicht erlebt, da können wir gar nicht nostalgisch sein“, sagt Joel Coen vor der Presse. „Wir zeigen in zärtlicher Zuneigung und Bewunderung ein romantisches Hollywood-Bild der 1950er.“ Alles frei erfunden also? „Loretta Young hat damals ihre Tochter mit Clark Gable geheimgehalten und dann selbst adoptiert. Der Rest ist fiktiv. Eddie Mannix gab es zwar, aber er hatte einen ganz anderen Charakter als in unserem Film.“

George Clooney balanciert in „Hail, Caesar“ wunderbar auf dem Grat zwischen Schmierentheater und charismatischem Auftritt. War er jemals selbst Kommunist? „Ich mache Gebrauch von meinem Aussageverweigerungsrecht nach dem fünften Verfassungszusatz“, antwortet er. Zu den Filmemachern immerhin gibt er Auskunft: „Ich habe jetzt vier Filme gedreht mit diesen Typen. Immer ich einen komischen Kauz spielen und bin dumm genug, das zu machen. In ,Burn After Reading‘ diesen Kerl, der im Keller eine Sexmaschine baut. Und dann sagen sie: Das haben wir geschrieben mit dir im Hinterkopf. Aber ich habe Spaß daran, dass sie sich über mich lustig machen.“

Ein Russin hakt nach, ob er je einen russischen Kommunisten getroffen habe. „Schaue ich grade eine russische Kommunistin an?“, fragt Clooney zurück. „Soll ich den Raum nach Kommunisten absuchen?“ Star zu sein ist nicht leicht, im Film wie im Leben. In „Syriana“ (2005) hat Clooney die Nahost-Frage schon einmal thematisiert – kann er sich einen zweiten Teil vorstellen, angesichts der aktuellen Krise? „Unser Problem ist, dass es immer zwei Jahre dauert, bis ein Film fertig ist“, sagt Clooney. „Und der Film muss gut werden. Für meinen Film über den Sudan und Dharfour habe ich immer noch kein Drehbuch. Morgen sehe ich Angela Merkel, und ich möchte sie unbedingt fragen, was wir jetzt sofort tun können, wie wir helfen können.“

„Filme über Flüchtlinge kann man nicht auf Kommando machen“, glaubt Joel Coen

Joel Coen wirft ein: „In Cannes hat 2015 ,Dheepan’ die Goldene Palme gewonnen, ein sehr guter Film über Flüchtlinge. So etwas kann man aber nicht auf Kommando machen, so funktionieren kreative Prozesse nicht – jedenfalls nicht bei uns.“

Eine Mexikanerin insistiert, was Clooney denn konkret tue. „Ich beschäftige mich mit Vielem, fahre in Katastrophengebiete, auch gefährliche“, sagt er leicht gereizt. „Was tun Sie denn für Flüchtlinge?“ Sie schildert, was Ehrenamtliche auch in Deutschland tun, und hat ein Dilemma offenbart: Von Prominenten erwarten die Menschen mehr – manchmal vielleicht zu viel.

Eine polnische Bloggerin mit Papierschiffchen im Haar kommt nicht zum Punkt. Clooney unterbricht: „Flirten Sie mit mir? Ich bin jetzt ein verheirateter Mann, das funktioniert nicht mehr!“ Dann die Frage aller Fragen: Hat es Josh Brolin Spaß gemacht, George Clooney im Film zu ohrfeigen? „Ich glaube, das haben viele schon mal gewollt“, antwortet Brolin grinsend. „Ich habe das für alle anderen mitgemacht!“ „Das klären wir draußen!“, ruft Clooney. Wohl dem Festival, das solche Typen auf dem Roten Teppich hat.

„Ich bin extrem stolz und habe keine Ahnung, wie das geht“, sagt Jury-Präsidentin Meryl Streep

Und eine Jury-Präsidentin Meryl Streep, wegen der bei der Pressekonferenz des Gremiums der Saal wegen Überfüllung geschlossen wird. Berlinale-Chef Dieter Kosslick führt die Grande Dame des US-Kinos am Arm herein, die Bloggerin mit dem Papier-Schiffchen lauert auf den richtigen Moment für ein Selfie mit Meryl – auch Stars dienen heute als Dekoration für Ich-Botschaften.

„Ich bin extrem stolz und habe keine Ahnung, wie das geht“, sagt Streep – „ich werde es lernen, während ich es tue.“ Wird sie den Jury-Vorsitz so resolut angehen wie ihre Rollen? „Lars habe ich schon im Griff“, sagt sie, und der deutsche Charakterdarsteller Lars Eidinger lacht mir ihr auf dem Podium. „Alle Filmemacher haben viel investiert“, sagt Streep, „in so einem Wettbewerb zu sein ist ein großes Privileg, dass allen Auftrieb gibt.“

Co-Jurorin Małgorzata Szumowska hat 2015 mit ihrem Film „Body“ den Silbernen Bären für die beste Regie bekommen. Ein Priester verliebt sich da in einen Jugendlichen, in ihrer Heimat ein mehrfaches Tabu. Sie ist eine Stimme des freien Polen, dem derzeit ein Coup durch die eigene Regierung droht. „Der Bär hat mir sehr geholfen“, sagt Szumowska, „deshalb spüre ich auch die besondere Verantwortung.“

„Ich möchte berührt werden“, sagt Berlinale-Juror Lars Eidinger

Juror Eidinger hat sich einen Ansatz des Filmkünstlers Julian Schnabel zu eigen gemacht: „Es kommt nicht darauf an, was der Regisseur gefühlt hat, als er den Film gemacht hat, sondern darauf, was die Zuschauer fühlen, wenn sie ihn sehen“, erklärt er. „Ich möchte berührt werden – aus der Ferne analysieren, funktioniert für mich nicht.“

„Hail Caesar“ läuft außer Konkurrenz und gibt doch den Ton vor: Die Coens zeigen einmal mehr, wie leicht Kunst sein kann, die Gehaltvolles über das Leben erzählt – und wie wohltuend, gerade in Krisenzeiten.